Die Insel der Dämonen
diesem Zweck die Gunst des Geschädigten - also meiner Person - durch zahlreiche Aufmerksamkeiten wie zum Beispiel mehrere Eierpfannkuchen erkauft. Punkt zwei: Der Geschädigte hat die beiden genannten Personen an Bord mehrfach in vertraulichem Gespräch beobachtet. Wobei das Gespräch stets sofort unterbrochen wurde, wenn der Geschädigte sich näherte. Punkt drei: Der Geschädigte hat in letzter Zeit vermehrt festgestellt, daß der Leutnant Fourraine des Nachts immer kurz vor der zwölften Stunde seine Hängematte heimlich verläßt und frühestens nach einer Stunde von unbekanntem Ort zurückkehrt. Daraus schließt der Geschädigte abschließend, daß der besagte Leutnant sich zu besagter Stunde mit besagter Dame trifft und zum Schaden des Geschädigten mit dieser gemeinsam durch unsittliches Tun die Autorität des Geschädigten untergräbt.«
Damit hatte de Pousier seine Schrift verlesen. Er faltete sie sorgsam zusammen und steckte sie wieder ein.
De Roberval war immer noch einigermaßen fassungslos. Er schüttelte den Kopf und lachte: »Verzeiht, Hauptmann, aber ich glaube, Ihr irrt Euch sehr. Es mag ja sein, daß der Leutnant irgendwo an Bord ein Liebchen hat, vielleicht bei den Frauen im Vorschiff? Aber ich bin sicher, es ist nicht Madame Lafleur, mit der er sich trifft. Ich kenne diese Frau schon seit fast zwanzig Jahren, und ich weiß, daß sie sich nicht viel aus Männern - schon gar nicht aus Soldaten - macht. Sie hat sogar fast schon eine Abneigung gegen das Militär! Wie könnte sie sonst einem so prachtvollen Offizier wie Euch widerstehen? Nein, Hauptmann, vergeßt Eure Anklageschrift, oder werft sie ins Meer, bevor Ihr Euch endgültig zum Gespött der Mannschaft macht! Ihr liegt völlig daneben, in allem, was Ihr sagt.«
»Aber die Beweise .«
»Beweise? Macht Euch nicht lächerlich - ein Gespräch mit einem Leutnant und ein Eierpfannkuchen sind doch keine Beweise! Und nun geht, der Fall ist erledigt! Was mich betrifft, so will ich die Angelegenheit um Euretwillen mit Diskretion behandeln und nicht mehr davon sprechen. Ich glaube, für Euch ist es das Beste, Ihr handhabt dies ebenso. Und Eure schöne Anklageschrift laßt am besten gleich hier. Ich werde sie für Euch vernichten, bevor sie in die falschen Hände gerät.«
»Jawohl, Kommandant!«, sagte de Pousier und salutierte. Er legte seine Anklageschrift auf den Kartentisch, salutierte noch einmal, drehte sich zackig um und ging - mit hängenden Schultern und noch unglücklicher als zuvor.
De Roberval wartete, bis der Hauptmann die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann lachte er laut. So einen Unsinn hatte er noch nie gehört! Madame Lafleur und ein junger Leutnant? Es war kaum zu glauben, wie sehr sich der enttäuschte Verehrer de Pousier gerade zum Idioten gemacht hatte!
De Roberval schüttelte immer wieder den Kopf. Er nahm das Schreiben de Pousiers und lachte wieder, als er es noch einmal las. Nun, zugegeben, es war schon seltsam, daß sich die Lafleur für einen Leutnant einsetzte ... Er kannte ihre Abneigung gegen das Militär. Sie machte sich nicht viel aus Männern, vielmehr widmete sie ihr ganzes Leben der Erziehung seiner Nichte.
De Robervals Lachen erstarb. Er ließ die Ereignisse der vergangenen Wochen noch einmal in Gedanken vorüberziehen. Marguerites Traurigkeit zu Beginn der Reise, die auf einmal wie weggewischt war. Die eisige Verstimmung zwischen ihr und Damienne in letzter Zeit. Der Umstand, daß sie oft, und gerade in letzter Zeit, so völlig übermüdet am Frühstückstisch erschien.
De Roberval ließ den Zettel fallen. Der Hauptmann war vielleicht ein Idiot, aber dieser Idiot hatte besser auf manche Dinge geachtet als er selbst.
De Roberval atmete tief durch. Das konnte, durfte nicht sein! Seine Nichte! Marguerite, dieses stets etwas zu ernste und vernünftige Mädchen, sollte ihn hintergehen? Seine Nichte, Sproß des Hauses de La Roque? Die Nichte des Vizekönigs von Neufrankreich, bald mögliche Braut von Prinzen . hatte eine Affäre mit einem einfachen Leutnant?
De Roberval ballte die Fäuste. Das konnte nicht sein, das konnte er nicht zulassen! Er war drauf und dran, in die Kajüte seiner Nichte zu stürmen und sie zur Rede zu stellen. Er atmete erneut tief durch. Sein Blut kochte, aber dann wurde er mit einem Mal ruhig, ganz ruhig. Es war eine kalte Ruhe, gepaart mit eisiger Entschlossenheit.
Er brauchte einen Beweis, um ganz sicher zu sein. Der Hauptmann hatte gesagt, daß der Leutnant stets vor Mitternacht
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