Die Insel der Dämonen
Seevögel ihre Bahnen zogen. Schön sahen sie aus und ihre Rufe waren hell und heiser. Es roch nach Meer.
Sie lag im Sand. Warum nur? Sie schreckte hoch. Sie befand sich in einer kleinen, felsigen Bucht. Matrosen wateten durch knietiefes Wasser und trugen Gegenstände aus einem Boot an Land. Die Seeleute mußten auch sie, Marguerite, an Land getragen haben.
Sie erinnerte sich, daß ihr schwarz vor Augen geworden war. Was war bloß geschehen?
Da durchfuhr es sie wie ein Blitz - der Onkel, die Verbannung, Henri im Wasser, die Arkebuse, die nicht funktioniert hatte.
Henri! Wo war er? Hatte er sich retten können? Panisch blickte sie sich um. Dann sah sie ihn. Er saß mit hängendem Kopf etwas abseits auf einem großen Stein und schaute zu Boden.
Er sah so verloren aus! Es war alles ihre Schuld! Sie hatte ihn ins Unglück gestürzt.
Wie gerne wäre sie zu ihm gerannt und hätte ihn umarmt und geküßt, aber irgend etwas hielt sie zurück. Sie war verwirrt. Es war so viel passiert! Und jetzt saß sie im Sand auf einer fremden Insel und sah diesen Matrosen dabei zu, wie sie Vorräte an Land schafften.
Vorräte, die ihr Onkel ihnen zugestanden hatte: ein Beutel mit Schiffszwieback, vier Flinten, Pulver, Munition, einen Krug mit Branntwein.
Die Männer arbeiteten schweigend und legten die Habseligkeiten auf einen flachen Stein. Damienne stand daneben und überwachte sie.
Wie viel Haltung sie bewahrt, als würde sie im Château de Roberval zusehen, wie die Küchenjungen eine Ladung Eier abliefern, dachte Marguerite in einer Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung. Doch ihre Ruhe war nur äußerlich. Marguerite kannte sie lange genug, um ihr selbst von hinten anzusehen, wie aufgebracht sie war. Die Seeleute wagten nicht, ihr ins Gesicht zu sehen.
Marguerite stand auf, wischte geistesabwesend den Sand von ihrem Kleid und trat zu Damienne. Sie nahm ihre Hand und drückte sie stumm. Damienne blickte ihr in die Augen, erwiderte den Händedruck und nickte. Kein Wort wurde gesprochen. Weder von den Matrosen noch von den drei Verbannten.
Bald waren die Männer fertig mit ihrer Arbeit. Sie wateten durch das flache Wasser zum Boot zurück und schienen es plötzlich sehr eilig zu haben, zur Anne zurückzukehren. Auch Kapitän de Sauveterre hatte das Beiboot schon fast erreicht, als er sich noch einmal umdrehte. Er bedeutete den Ruderern zu warten, watete zurück an Land, näherte sich den beiden Frauen und zog ein langes Messer aus dem Gürtel. Er wog es in der Hand, dann streckte er es, mit dem Heft voran, Damienne entgegen.
»Ist ein gutes Messer«, sagte er mit belegter Stimme. »Ihr werdet es brauchen.«
Damienne sah ihn schweigend an und machte keinerlei Anstalten, das Messer entgegenzunehmen. Also legte der Kapitän es zu den anderen Sachen. Dann nickte er zum Abschied, drehte sich um und kehrte zum Boot zurück. Doch noch einmal blieb er stehen und wandte sich den beiden Frauen zu.
»Die ganze Angelegenheit ist sehr bedauerlich«, sagte er.
Marguerite und Damienne sahen ihn stumm an.
»Ich werde für Euch beten, Mesdames.«
Aber auch jetzt reagierten Damienne und Marguerite nicht, sondern sahen in die Ferne, als seien der Kapitän, das Boot und selbst die beiden Schiffe gar nicht vorhanden.
Der Seemann wußte nicht, was er noch sagen sollte, und stieg ins Boot. Die Männer ergriffen die Riemen, wendeten und ruderten davon. Marguerite sah ihnen nach. Sie ruderten schnell. Bald hatten sie die Anne erreicht. Sie konnte sehen, wie die Matrosen auf der Anne und der Valentine in die Wanten kletterten und die Segel hissten. Sie konnte sogar die Kommandos hören, mit denen die Bootsmänner ihre Leute auf die Masten scheuchten. Die Segel entfalteten sich, der Wind griff hinein, blähte sie und die beiden Schiffe nahmen allmählich Fahrt auf. Sie drehten nach Westen, dann nach Südwesten und wurden langsam kleiner. Schließlich waren sie so weit entfernt, daß ihre Segel als weiße Punkte fast nicht mehr von den Möwen zu unterscheiden waren.
Marguerite starrte ihnen nach, bis sie hinter dem Horizont verschwunden waren. Sie wartete. Ihr Blick blieb auf den Horizont gerichtet. Aber die Schiffe kamen nicht zurück.
Endlich ließ sie sich in den Sand fallen und weinte. Damienne seufzte. Sie setzte sich neben Marguerite auf einen Stein und legte ihr eine Hand auf die Schulter: »Weine nur, mein Kind, das hilft.«
Sie saß stumm neben Marguerite. Aus irgendeinem Grund scheute sie sich, das Mädchen in den Arm zu nehmen,
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