Die Insel der Dämonen
sind.«
Beifälliges Murmeln erklang. Es tat gut, daß der Kommandant, der die Peitsche nicht geschont hatte, jetzt endlich ihre Leistung anerkannte.
»Wir haben unser Ziel fast erreicht. Die Reichtümer des neuen Landes liegen nun zum Greifen nahe vor uns.«
De Roberval machte eine Pause und betrachtete die Menge. Er konnte sehen, wie die Hoffnung in ihnen wieder aufkeimte.
»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen - es gibt Gold und Edelsteine in diesem Land«, rief er.
Das Murmeln schwoll an.
»Doch der Mann, der diese Schätze entdeckt hat, der sie mir gezeigt hat - was hat er getan? Cartier hat uns verraten! Im Stich gelassen hat er uns!«
»Er soll in der Hölle schmoren!«, rief einer.
»Wenn wir ihn in die Finger kriegen, werden wir ihn an der Rah aufknüpfen!«, rief ein Zweiter, und viele stimmten lautstark zu.
De Roberval wartete, bis der Lärm verebbt war.
»Ihr habt recht: Die Hölle soll ihn holen für seinen Verrat - ihn und alle Verräter!«
Wieder brüllten etliche Zustimmung.
»Cartier ist nicht hier. Er hat sich davongestohlen wie ein Dieb in der Nacht. Doch nicht nur er hat uns verraten - selbst hier, auf diesem Schiff, hat der Verrat ein Zuhause gefunden!«
De Robervals Stimme überschlug sich. Die aufgeputschte Menge hielt den Atem an. Wen meinte der Kommandant? Sie sahen die Wut in seinen Augen, und sie begannen, sich zu fürchten. Jean- Frangois de La Roque Sieur de Roberval war Herr über Leben und Tod auf diesem Schiff - und sein Urteil konnte jeden treffen. Plötzlich war es totenstill auf dem Schiff. Nur das leise Ächzen der Taue und Masten war zu hören.
»Wollt ihr wissen, wer gesehen hat, wie Cartier die Anker lichtete, und uns nicht gewarnt hat? Wollt ihr wissen, wer uns so gewissenlos verraten hat?«
»Wer war das Schwein?«, rief einer der Matrosen.
»Wir hängen den Schuft auf!«, rief ein anderer.
»Leutnant Henri Fourraine, hört Ihr, was Eure Kameraden für Euch fordern?«
Als der Name fiel, ging ein Raunen durch die Menge. Mit vielem hatten sie gerechnet, doch daß ausgerechnet der junge Leutnant sie verraten haben sollte? Aber der Kommandant mußte es doch wissen, oder?
Über dem anschwellenden Gewirr von verwunderten und zornigen Rufen erklang ein heller und entsetzter Schrei. De Roberval sah, wie Marguerite aschfahl wurde. Henri selbst hatte es die Sprache verschlagen.
»Hauptmann! Verhaftet den Mann!«, befahl de Roberval.
Schon hatten ein Dutzend Hände den völlig verstörten Henri gepackt.
»Aufhängen, aufhängen!«, riefen die ersten.
»Wollt ihr nicht wissen, warum er es getan hat? Wollt ihr nicht wissen, wer ihm geholfen hat?«
»Wer? Wer?«, rief die Menge.
»Mein eigen Fleisch und Blut! Meine Nichte Marguerite! Sie hat diesen Mann zum Verrat verführt!«
Das wirkte auf die Menge wie ein Keulenschlag. Instinktiv wichen die Umstehenden vor Marguerite zurück. Auf einmal stand sie ganz allein.
Nur Damienne war dicht bei ihr. Sie war ebenso erschrocken wie ihr Schützling und rang um ihre Fassung. Marguerite war wie betäubt.
Konnte das wahr sein, was gerade geschah? Sie hörte die Worte ihres Onkels wie aus weiter Ferne, wie in einem bösen Traum.
»Dieses Weib, diese Metze, hat den Leutnant in ihr Bett gezerrt, hat Schande über mich und meine Familie gebracht, und um ihre Schande zu verdecken, haben sie geschwiegen, als Cartier die Anker lichtete - ja vielleicht hat sie den Mann sogar in ihr Bett gezogen, damit der Verräter sich unbemerkt davonmachen kann!«
»Das ist eine Lüge!«, protestierte Damienne. Ihre Stimme war heiser vor Wut.
»Halt den Mund, Unglücksweib! Du hast ihre Untaten doch noch gedeckt. Ist sie nicht dein Schützling? Hätte sie sich auch nur einmal mit diesem Verräter treffen können, ohne daß du es wußtest? Jetzt ist der Augenblick des Gerichts gekommen. Strafe muß sein! Niemand soll sagen, daß Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval auf dieser Reise einen Unterschied macht zwischen einem einfachen Seemann und seiner Familie!«
Der Menge stockte der Atem. Einen Mann aufzuknüpfen, den man für einen Verräter hielt, war eine Sache, aber jetzt ging es um die Nichte des Kommandanten und Vizekönigs.
»Doch will ich gnädiger sein, als ich es sollte. Ich will sie nicht töten - aber verbannen muß ich sie!«
»Verbannung? Hier? Das ist so gut wie ein Todesurteil«, raunte ein Maat in der Menge.
Doch de Roberval war nicht mehr aufzuhalten. Mit heiserer Stimme befahl er: »Beladet ein Boot mit Vorräten
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