Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
und Waffen und bringt die Frauen an Land. Auf dieser Insel sollen sie Gelegenheit haben, ihre Sünden zu bereuen und Buße zu tun.«
    Niemand rührte sich. Matrosen, Soldaten und Passagiere - alle waren verunsichert. Jeder kannte Marguerite und mochte das junge Mädchen. Konnte sie wirklich die Verbrechen begangen haben, die ihr der eigene Onkel vorhielt? Aber er war der Kommandant. Sein Wort war Gesetz, und sich gegen ihn aufzulehnen, konnte schlimme Folgen haben.
    Doch die Menge war unsicher. Selbst in diesen rauhen Zeiten war es mehr als grausam, zwei Frauen schutzlos auf einer Insel auszusetzen - noch dazu auf einer Insel, auf der Dämonen hausten! Niemand rührte sich, um das Beiboot klarzumachen.
    Kapitän de Sauveterre spürte die Gefahr. Er hatte der Rede de Robervals ungläubig gelauscht. Er war von den Enthüllungen ebenso überrascht wie jeder andere auf dem Schiff. Doch er sah auch den Blick, den Marguerite und Henri jetzt austauschten. Es war ein kurzer, verzweifelter Blick, den niemand bemerken sollte, doch er bewies mehr als alle Worte de Robervals, daß sie einander zugetan waren.
    De Sauveterre kannte die beiden kaum. Er hatte Marguerite vor der Reise gelegentlich in de Robervals Haus getroffen und er mochte sie. Mit dem Leutnant hatte er sich in Saint-Malo zwei- oder dreimal unterhalten und er hielt ihn für einen netten Burschen.
    Aber hier ging es nicht um persönliche Sympathie. Sie befanden sich auf See und der Kommandant hatte einen Befehl gegeben. Disziplin war lebenswichtig. Über zweihundertfünfzig Menschen waren auf den beiden Schiffen zusammengepfercht. Wurde erst einmal ein Befehl verweigert, war das vielleicht der erste Schritt zur Meuterei - und das wäre der sichere Untergang für alle.
    De Sauveterre wußte, was de Roberval falsch gemacht hatte: Der Kommandant hatte seinen Befehl zu allgemein gegeben. Niemand wollte sich angesprochen fühlen, keiner der Matrosen verspürte große Lust, das Urteil zu vollstrecken. Jeder hoffte, daß ein anderer das Boot klarmachen würde, und in dieser Spanne des Abwartens war Zeit, über Recht und Unrecht der Order nachzudenken.
    De Sauveterre trat nach vorne. »Popincourt! Alsace! Habt ihr den Kommandanten nicht gehört? Das Beiboot zu Wasser!«
    Die beiden Matrosen zuckten zusammen, aber sie gehorchten umgehend. Es kam Bewegung in die Menge, als die zwei zum Boot eilten. Für einen Moment war die Stimmung ungewiß gewesen, einen kurzen Augenblick lang hatte das Schicksal von Marguerite und Damienne und das der ganzen Expedition auf Messers Schneide gestanden, doch jetzt war es entschieden: Die Befehle wurden ausgeführt.
    »Was sollen wir an Vorräten einladen, Kommandant?«, fragte de Sauveterre.
    De Roberval starrte ins Leere. Halb abwesend sagte er: »Gebt ihnen Zwieback, etwas Rum und Waffen. Sollen sie von der Jagd leben.«
    Der Kapitän zögerte, dann fragte er halblaut, sodass nur de Roberval ihn hören konnte: »Können die Damen denn mit Waffen umgehen?«
    »Wenn nicht, dann haben sie jetzt Gelegenheit, es zu lernen.«
    »Und persönliche Gegenstände? Kleidung?«
    De Roberval blickte in den Himmel. Einzelne Möwen kreisten um das Schiff. In der Ferne zog Nebel auf. Die dunklen Schatten darüber mochten Wolken sein, vielleicht auch die Berge der Insel Baccalaos. De Roberval folgte mit seinem Blick dem Flug einer Seeschwalbe, die dicht über dem Wasser nach Beute Ausschau hielt.
    Er antwortete: »Nur wenn sie darum bitten. Ansonsten sollen sie mit dem auskommen, was sie am Leibe haben.«
    »Jawohl, Kommandant.«
    De Sauveterre begab sich auf das Hauptdeck. Er mußte dicht an Marguerite und Damienne vorüber. Damienne schien außer sich vor Wut zu sein. Es fiel ihr sichtlich schwer, sich zu beherrschen. Marguerite dagegen war leichenblaß, strahlte aber eine seltsame Ruhe aus. Beide würdigten de Sauveterre keines Blickes.
    Am Hauptmast, nur etwa ein Dutzend Schritte von Marguerite entfernt, stand Henri, bewacht von zwei Soldaten. Er hatte den Kopf gesenkt und schien den Tränen nahe zu sein. De Pousier stand hinter ihm. Sein Gesicht war eine Grimasse des Triumphs.
    Die Menge hatte sich an die Reling zurückgezogen, möglichst weit weg von jenen, die das Unglück getroffen hatte, so als sei deren Unglück etwas Ansteckendes.
    De Sauveterre sorgte dafür, daß vier Arkebusen und reichlich Munition ins Boot eingeladen wurden, ebenso ein Krug mit Branntwein und ein Vorrat an trockenem Schiffszwieback, der für mehrere Tage reichen

Weitere Kostenlose Bücher