Die Insel der Krieger
Dieses Mal jedoch schaffte sie es, dem Schlag auszuweichen, sodass Naligs Klinge auf die Erde hinabsurrte und er dieses Mal derjenige war, der ins Stolpern geriet. Wie er bald feststellen musste, war es ihm beinahe unmöglich, das Mädchen zu treffen. Mit einer katzenhaften Schnelligkeit wich Stella aus und ließ all seine Anstrengungen ins Leere laufen, während es ihr zudem gelang, ihn schmerzhaft mit der stumpfen Klinge am Oberarm und beiden Unterschenkeln zu treffen. Ihre Ausdauer war bemerkenswert, während der Junge spürte, wie seine Kraft rasch schwand. Etwas schien mit der Luft nicht zu stimmen. Wie viel er auch davon einatmete, es schien kaum etwas davon bis in seine Lu n gen zu gelangen. So dauerte es nicht lange, bis er völlig außer Atem war, wobei seine Schläge immer kraftloser wurden und Stellas Treffer immer zahlreicher. Ein Hieb gegen seinen Knöchel brachte ihn schließlich zu Fall. Mit schweißnassem Gesicht schaute er zu Stella auf, der kaum etwas von der körperlichen Anstrengung anzumerken war. Schwer atmend drehte er sich auf den Rücken und wartete auf seinen verbalen Gnadenstoß. Doch Stella sagte nichts. Sie wandte sich ei n fach um und ging mit Aila den Weg, den sie gekommen war.
»Hat es einen Sinn zu versuchen, dich von deinem Vorhaben abz u bringen? « Arkas und Zalari saßen in Naligs Zimmer. Es war schon spät und sie trafen ihre Vorbereitungen, um zum Ufer aufzubrechen. »Nein. « Seit seiner demütigenden Niederlage gegen Stella war Nalig ausgesprochen schlechter Laune. Seine Entschlossenheit, zumindest für diese Nacht von der Insel zu entkommen, war größer denn je. Er streifte einen schwarzen Kapuzenumhang über, den Zalari ihm geli e hen hatte. An diesem Abend waren Kaya und die älteren Krieger beim Abendessen gewesen. Daher vermutete Nalig, dass sie in dieser Nacht nicht zum Festland fliegen würden. So konnte er aufbrechen, sobald es ruhig im Tempel war und musste nicht warten, bis die Göttin und ihr Gefolge zurück waren. »Gehen wir«, beschloss er, nachdem er durch einen Türspalt auf den verlassenen Gang gespäht hatte. »Ich nehme an, du möchtest hier bleiben? « , fragte er Arkas. »Ja, und ich bin immer noch der Meinung, dass du eine Dummheit begehst. « Arkas ging in sein Zimmer und Nalig machte sich mit Zalari auf zum Innenhof des Tempels. Sie waren zu der Überzeugung gelangt, dass dies der einzige Ort war, der genug Raum für Kirs Verwandlung bot. Kir sprang ins Gras und verschwand in der Dunkelheit, ehe sie mit Zalaris Hilfe ihre Verwandlung vollzog. Nalig hoffte, dass niemand durch das grelle Licht geweckt wurde. Er und Zalari stiegen rasch auf Kirs Rücken. Es war ein seltsam warmes Gefühl, in den Lichtkreis zu treten, der den Drachen umgab. Das riesige Tier zu besteigen und zwischen all den Rückenzacken einen Platz zu finden, war nicht einfach. Als der Drache sich in den Himmel schwang und der Tempel unter ihnen immer kleiner wurde, machte Naligs Magen einen Hüpfer. Obwohl es auch Zalaris erster Flug war, schien er sich viel sicherer auf dem Rücken seiner Begleiterin zu fühlen. Naligs Falke flatterte auf. Er zog es vor, selbst zu fliegen, hatte jedoch Schwierigkeiten, mit dem Drachen mi t zuhalten. Sie erreichten das Ufer rasch. Kir landete dicht am Wasser, wo keine Bäume wuchsen und trampelte einen Großteil des Schilfs nieder. Kaum dass Nalig und Zalari von ihrem Rücken ins Gras g e sprungen waren, verwandelte sie sich zurück. »Ich würde dir Kir ja für den Weg bis in dein Dorf anvertrauen, aber ich glaube nicht, dass sie ihre Verwandlung aufrechterhalten kann, wenn sie so weit von mir entfernt ist und begleiten möchte ich dich lieber nicht. « »Das ist in Ordnung. Ich glaube, es wäre ohnehin keine gute Idee, mit einem Drachen in meinem Dorf aufzutauchen. « Nalig blickte sich nach dem Boot um. Tatsächlich lag bereits ein neues am Ufer. Allerdings brauc h te er etwas, das er als Ruder benutzen konnte. Nach kurzer Suche fanden die Jungen zwei Holzplanken im Schilf. Vermutlich Überreste des letzten Bootes, die an Land gespült worden waren. »Wenn du zurück bist, schick deinen Falken zum Tempel. Dann komme ich und hole dich ab«, erklärte Zalari und stieß das Boot, in dem Nalig nun saß, vom Ufer ab. »Danke. « Der Junge beobachtete Kirs Verwandlung und wartete, bis ihr grüner Schimmer in Richtung Tempel verschwunden war. Dann begann er zu paddeln. Es war mühsamer, als er erwartet hatte. Die modrigen Holzstücke taugten nicht viel.
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