Die Insel der Krieger
Insel dauerhaft zu verlassen, müssen sie das Festland betreten haben und ich erinnere mich, dass Kaya einmal sagte, sie könne das Festland nicht betreten, ohne ihre Unsterblichkeit zu verlieren. Das traf sicher auch auf die anderen Götter zu. « Nalig nahm einen Schluck Wasser aus seinem Kelch und überlegte. Wenn die Götter das Verlassen Kijertas mit dem Verlust ihrer Unsterblichkeit bezahlten, erschien es ihm noch rätse l hafter, dass sie diesen Schritt gewagt hatten. »Ich denke, es gibt nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden«, warf Arkas ein, der Nino mit Erbsen von seinem Teller fütterte. Zalari und Nalig blickten auf. »Ihr werdet Kaya fragen müssen. Sie ist die Einzige, die alt genug ist, um zu wissen, was damals wirklich geschah«, erklärte er. Die Ju n gen blickten die Tafel entlang zu der Göttin, die schweigend und a n mutig auf ihrem Platz saß und Aro zuhörte, der intensiv auf sie einr e dete. Zalari zeigte nicht allzu viel Begeisterung für die Idee, Kaya mit einem derartigen Anliegen zu behelligen. Nalig ging es ähnlich und so sprachen sie während des Mittagessens nicht weiter darüber. Als es später für Nalig jedoch Zeit wurde, seine Arbeit in der Bibliothek wieder aufzunehmen, kam er zu dem Schluss, dass er nicht arbeiten konnte, ohne Mariks Tagebuch wieder und wieder zu durchblättern.
»Wo hält sich Kaya eigentlich auf, wenn sie nicht mit uns im Spe i sesaal sitzt? « , wollte Nalig von seinen Freunden wissen und fragte sich, was die Göttin wohl den Tag über tat. Die beiden hatten ihn zu Miras Hütte begleitet, wo er seinen Falken besucht hatte, der an diesem Tag ein wenig munterer war. »Soweit ich weiß, hat sie ein Zimmer im sü d lichen Teil des Tempels. « »Kannst du mir zeigen, wie ich dort hinfi n de? « »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Vielleicht möchte sie dort nicht gestört werden. « »Du musst ja nicht mitkommen. Ich will nur wissen, wo genau ihr Zimmer liegt. « Zalari führte Nalig in einen Teil des Tempels, den er noch nicht betreten hatte. Arkas war bereits auf sein Zimmer gegangen. Er schien nicht viel davon zu halten, die Göttin in ihrer Ruhe zu stören. Der Südflügel des riesigen Gebäudes glich einem Labyrinth. Zalari brauchte drei Anläufe, um den richtigen Weg zu finden. Als sie am Ende einer Treppe angelangt waren, blieb er stehen. »Da vorne ist es«, meinte er mit gedämpfter Stimme, obgleich die Tür, zu der er zeigte, noch fast hundert Schritte entfernt war. Leise ging Nalig den Gang entlang. Zalari war schon wieder auf dem Weg die Treppe hinunter. Die Tür, an welcher der Gang endete, war glatt und unscheinbar, mit Ausnahme der goldenen Klinke und eines Tü r klopfers, der aussah wie der Kopf eines Löwen. Wenn es einen Tü r klopfer gab, dann konnte Kaya Besuchern nicht gänzlich abgeneigt sein, redete sich Nalig ein und klopfte erst zaghaft, dann lauter. Anste l le einer Antwort schwang die Tür lautlos auf. Der Raum, der sich dahinter auftat, war kleiner als Nalig erwartet hatte. An der rechten Wand stand eine Liege, auf der sich Kartax ausgestreckt hatte. Links stand ein Regal, das so mit Büchern überladen war, dass die Bretter sich bogen. Gegenüber der Tür flutete Licht durch ein Fenster, vor dem ein Schreibtisch stand, an dem, den Rücken der Tür zugewandt, Kaya saß. Ihr weißes Haar wallte über die Lehne eines Stuhls, der so hoch war, dass Nalig nicht sah, worauf ihre Aufmerksamkeit gerichtet war. »Solltest du nicht wieder bei deiner Arbeit sein? « , fragte die Gö t tin, ohne aufzusehen. Ihr Tonfall war weder tadelnd noch vorwurf s voll. Also trat der Junge ein und schloss die Tür. Kaya drehte ihren Stuhl etwas herum, sodass sie ihren Besucher ansehen konnte. »Was kann ich für dich tun? « »Ich wüsste gerne mehr über einen Gott n a mens Marik und den Grund, aus dem die Götter Kijerta verließen. « Es war nicht mit Sicherheit zu sagen, ob sein Anliegen Kaya überraschte. Sie hob die Brauen und musterte den Jungen eingehend. »Wie kommst du darauf? « »Ich bin in der Bibliothek auf diesen Namen gestoßen und Hato sagt, dass es einmal viele Götter auf dieser Insel gab. « Kaya b e deutete Nalig, sich zu setzen. Da hierzu nur die Liege infrage kam, die Kartax bereits für sich beanspruchte, ließ er sich zögernd auf der Ka n te zwischen den Pfoten des Löwen nieder. »Vor 800 Jahren war ich nicht viel älter als du heute. Zumindest nach den Maßstäben der Gö t ter. Es gibt vieles, woran ich mich
Weitere Kostenlose Bücher