Die Insel der Krieger
Hüpfer, als sie Nalig zu erkennen glaubte. Der Vogel schrumpfte und verschwand vor dem dunklen Himmel. Der Junge, der von seinem Rücken gestiegen war, blickte sich kurz um und verlor sich dann in der Menge. Das Herz des Mädchens raste. Es war ganz sicher Nalig gewesen. Trotz der Entfernung war sie überzeugt davon, ihn an seiner Größe, Statur und auch an seinem Gang erkannt zu haben. Auch wenn ihr Verstand ihr sagte, dass dies unmöglich war.
Es war bereits Morgen, als Nalig und die Dorfleute endlich alle Verletzten und jene, die weniger Glück gehabt hatten, aus der eing e stürzten Kathedrale geborgen hatten. Es war für Nalig eine schmerzl i che Erfahrung gewesen. Viele der Opfer kannte er. Wie etwa Fareck, von dem er wusste, dass er eine Witwe und neun Halbwaisen zurüc k ließ. Nun doch mit seinen Kräften am Ende, setzte sich der Junge auf einen der Mauersteine. Merlin, auf seine gewöhnliche Größe zurückg e schrumpft, setzte sich auf seinen Arm und schloss die Augen. »Du warst großartig«, murmelte Nalig und strich dem Tier durchs Gefieder. Der Vogel gab einen leisen melodischen Ton von sich und schmiegte sich an den Jungen. Der war schon fast im Sitzen eingeschlafen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er blickte auf und erkannte Aro. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. »Wir sind hier fertig. Die Kreaturen haben sich zurückgezogen und das sollten wir nun auch. « »Aber ich habe meinen Vater noch nirgends gesehen«, protestierte Nalig. »Das war auch nicht unser Anliegen«, erwiderte Aro streng. »Aber… « »Unsere Aufgabe ist es, Leben zu retten. Und nicht Familien zusammenzuführen«, unterbrach Aro den Jungen sofort, als er wide r sprechen wollte. Nalig war zu müde, um sich mit Aro zu streiten und machte sich auf zum See, wo Merlin sich wieder verwandeln konnte. Zusammen mit allen anderen flog Nalig zurück nach Kijerta. Dort herrschte noch immer tiefe Nacht und so führte Naligs erster Weg hinauf zu seinem Schlafzimmer. Zalari, der nach seinen Schritten g e lauscht hatte, fing ihn ab, um sich zu vergewissern, dass alle unversehrt zurückgekehrt waren. »Uns geht es gut. Ich wünschte nur, ich könnte das Gleiche von den Bewohnern meines Dorfes behaupten. Was ist mit Kir? « »Ich musste sie bei Mira lassen. Aber sie meint, dass sie wieder zu Kräften kommt. Arkas darf wahrscheinlich morgen gehen. « »Na wenigstens etwas«, murmelte Nalig schlaftrunken und schlurfte zu seinem Zimmer. Erschöpft schlief er rasch ein, wurde jedoch die ga n ze Nacht über von entsetzlichen Albträumen gepeinigt.
Auch der nächste Morgen hielt einige Unannehmlichkeiten für ihn bereit. Die Frage, ob Ilia und ihr Vater aus der brennenden Schmiede hatten entkommen können und was aus seinem Vater geworden war, quälte ihn. Noch ehe er den Speisesaal betreten konnte, nahm Kaya ihn beiseite. »So sehr es mich auch freut, dass du es geschafft hast, deinen Falken zur Verwandlung zu bringen, war es doch unveran t wortlich von dir, uns zu folgen. Du bist noch nicht so weit, mit uns zu kämpfen und du hast dadurch nicht nur dich und Merlin in Gefahr gebracht, sondern auch uns. Denn wir geben aufeinander Acht und benötigt einer von uns mehr Hilfe, als er leistet, ist uns damit nicht geholfen. « Bei allem Respekt, den Nalig Kaya entgegenbrachte, diesen Vorwurf ließ er sich nicht machen. »Ich kann mich nicht daran eri n nern, allzu viel eurer Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Auße r dem bin ich auf dieser Insel geblieben, um meinem Königreich zu helfen und nicht, um die Hände in den Schoß zu legen, wenn ihm Gefahr droht. Zudem hätte sich Merlin niemals verwandelt, hätte er nicht gespürt, wie verzweifelt ich war. « Kayas Miene wurde ungedu l dig, doch sie nickte einsichtig. »Ich verstehe dich besser, als du denkst. Alles, worum ich dich bitte, ist, deinen Übereifer ein wenig zu zügeln, ehe er dir zum Verhängnis wird. « Nalig gab der Göttin sein Wort, war aber dennoch überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Er ließ sich auf seinem Platz neben Zalari nieder, der noch müder aussah, als er selbst sich fühlte. Nalig vermutete, dass es ausgesprochen schmerzlich für ihn war, Kir nicht bei sich zu haben. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Kelch, würgte ihn jedoch sogleich wieder hervor, als sich statt der erwarteten Süße des Kirschnektars ein dermaßen salziger Geschmack auf seine Zunge legte, dass er sich beinahe übergeben hätte. »Alles in Ordnung? « , fragte Zalari und
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