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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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bestand die? Bridge-Runden, Segeltörns, bei denen man sich die Haut verbrannte, Theaterabende mit drittklassigen Schauspielern, Konzerte, die auch nicht besser waren – kein angesehener Musiker würde ausgerechnet nach Singapur kommen! Wenigstens war das versprochene große Haus kurz vor Oscars Geburt endlich fertiggestellt, und sie hatte ohne Bedauern die stinkende Stadt gegen die noble Gegend rings um die Scotts Road eingetauscht. Hier waren die Reichen unter sich, man stolperte nicht dauernd über zerlumpte Eingeborene und europäische Habenichtse.
    Obwohl sie die Aufsicht über die Jungen den Kindermädchen überlassen hatte, war Amelia bald erschöpft. Ihre fortgeschrittene Schwangerschaft machte ihr täglich mehr zu schaffen, doch Doktor Ferguson hatte ihr zu Bewegung geraten, da ihre Beine zu Schwellungen neigten. Ein Stück voraus erspähte sie im Schatten eines Flammenbaums eine Bank und ließ sich schwerfällig darauf nieder. Nur noch vier Wochen, vielleicht fünf, dann war es überstanden. Sie instruierte die Amahs, mit den Jungen in Sichtweite zu bleiben, lehnte sich zurück und grüßte vorbeiflanierende Bekannte, während sie ihre spielenden Kinder beobachtete.
    Der vierjährige Wilson und der beinahe zweijährige Oscar waren ihr ganzer Stolz und Trost. Sie liebte die Kinder abgöttisch und setzte alles daran, sie Henrys Einfluss zu entziehen. Bitterkeit stieg in ihr auf. Einst hatte sie Henry aus vollem Herzen das Jawort gegeben. Mochten ihre Eltern über die finanzielle Absicherung ihrer Tochter erfreut gewesen sein, sie hatte sich von der Liebe leiten lassen. Einer Liebe, die Henry nie erwidert hatte.
    Dabei konnte sie ihm nichts vorwerfen. Er behandelte sie mit Respekt, selbst bei ihren Auseinandersetzungen blieb er ruhig und höflich, während ihr oft das Temperament durchging. All dies konnte sie jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nach wie vor die unscheinbare Johanna von Trebow anhimmelte. Wenn es nach Amelia gegangen wäre, hätte er den Kontakt zu den von Trebows völlig abbrechen sollen, doch er hatte ihr immer wieder auseinandergesetzt, dass das nicht möglich war. Zu eng seien die Geschäfte der beiden Handelshäuser miteinander verflochten, außerdem sei die europäische Gemeinde der Stadt wahrlich zu klein, als dass man sich aus dem Weg gehen könnte. Amelia argwöhnte, dass er Johanna von Trebow heimlich traf, allerdings hatte sie dafür keinerlei Beweise. Weder der Kutscher noch andere Dienstboten konnten von derartigen Zusammenkünften berichten, oder aber ihre Münder blieben verschlossen. Amelia war sich durchaus bewusst, unter den Dienern gefürchtet statt beliebt zu sein.
    Das Kind unter ihrem Herzen trat gegen die Bauchdecke. Ein Lächeln stahl sich auf Amelias Gesicht; zärtlich strich sie über die pralle Wölbung, ihre Gedanken wurden weicher. Im Grunde konnte es ihr gleichgültig sein, wie Johanna und Henry zueinander standen. Er war
ihr
Mann,
sie
gebar seine Söhne, während sich die von Trebow nach Henry verzehrte, ohne ihn jemals haben zu können. Stattdessen musste sich die Rivalin mit ihrem kränklichen, geisterhaften Mann zufriedengeben.
    Zwei junge Offiziere der 17 . Brigade von Singapur, die sie vor einigen Monaten kennengelernt hatte, schlenderten heran. Insbesondere der ältere, der dritte Sohn eines unbedeutenden Barons aus Cornwall, hatte ihr damals einen langweiligen Nachmittag am Rande des Kricketfelds erträglich gemacht. Sie winkte die beiden zu sich herüber, und bald entspann sich ein kurzweiliges Geplauder über gemeinsame Bekannte aus London. Die Blicke, mit denen die jungen Männer sie bedachten, taten ihr gut. Sie hatte völlig die Zeit vergessen, als ein schriller Schrei, gefolgt von Gezeter und Geschnatter, ihr Gespräch jäh störte.
    Die Offiziere sprangen auf und spähten wild in alle Richtungen, um herauszufinden, woher der Lärm kam. Das Gebrüll steigerte sich zu einem entsetzlichen Heulen, und dann sah Amelia in einiger Entfernung eine der Amahs laut schreiend hinter einem Busch hervorstürzen. Den kleinen Oscar an die Brust gepresst rannte sie, als ginge es um ihr Leben. Amelia stemmte sich hoch und lief, so schnell ihre Leibesfülle es ihr erlaubte, auf die Frau zu, die weiterhin schrie und immer wieder hinter sich zeigte. Die Offiziere hasteten in die angewiesene Richtung. Amelia folgte ihnen mit klopfendem Herzen. Ein Schuss ertönte, ein zweiter, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Kreischen, als seien alle Teufel der Hölle

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