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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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zurück, und Johanna und Mercy verbrachten noch eine angenehme Stunde bei Tee und Apple Pie ohne Äpfel, der tatsächlich köstlich schmeckte. Johanna erfuhr, dass Mercy als dritte Tochter eines im Dienste der Britischen Ostindien-Kompanie stehenden Offiziers im indischen Lucknow aufgewachsen war. Bei einem Dinner hatte sich der auf der Durchreise befindliche Andrew Robinson in sie verliebt, war drei Monate geblieben und hatte ihr hartnäckig den Hof gemacht, bis sie ihm ihr Jawort gab. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie ihren Mann nicht liebte – er ist eigentlich zu alt für mich, kicherte sie –, aber sie respektierte ihn und wusste die finanzielle Sicherheit zu schätzen. Nach Singapur hatte es die beiden vor zwei Jahren verschlagen, als Andrew die Leitung der Mercantile Bank of The East übernahm.
    Gegen halb acht erhob sich Mercy und schüttelte ihren prächtigen Rock zurecht. »Ich gehe dann mal rüber. Der Koch wird bald das Dinner auftragen, und mein Mann isst nicht gern allein. Ich hoffe, du kommst mich bald besuchen. Andrew ist tagsüber in der Bank, und mir werden die Stunden lang.«
    »Ich komme gern. Selbstverständlich bist auch du uns jederzeit herzlich willkommen.«
    »Nur, wenn du mir versprichst, dass deine Schwester mir mit dem Krabbelzeug vom Hals bleibt.« Sie lachte laut und herzlich. Wie Johanna bereits festgestellt hatte, verfügte Mercy über einen unverwüstlichen Humor.
    Am Gartentor kam ihnen Hermann-Otto Uhldorff schnellen Schritts entgegen. Johanna stellte Mercy und ihren Vater einander vor.
    »Sie sollten nach Einbruch der Dunkelheit eine Kutsche benutzen«, mahnte Mercy. »Erst kürzlich hat ein Tiger auf der Orchard Road einen Kuli angefallen. Die Untiere werden immer dreister. Außerdem treiben chinesische Banden ihr Unwesen.«
    »Ich hatte nur wenige Minuten zu gehen. Die malaiische Kapelle ist nicht weit.«
    »Weit genug, um vom Tiger gefressen zu werden.«
    »Ich werde Ihren Rat in Zukunft beherzigen, Mrs Robinson. Mir war tatsächlich nicht ganz wohl in meiner Haut. Die Kokosöl-Laternen erhellen die Straßen nur unzureichend.«
    »Sehr gut.« Mercy wies zu ihrem Haus. »Unser Geplauder hat auch meinen Mann aus dem Haus gelockt.«
    Eine weißgekleidete Gestalt trat aus dem Gartentor des gegenüberliegenden Grundstücks und überquerte die Straße. Freundlich hieß Andrew Robinson Johanna und ihren Vater in der Waterloo Street willkommen. Johanna registrierte überrascht, dass der schlanke Mann mit dem gepflegten Zwirbelbart äußerst ansehnlich war – und höchstens Mitte dreißig. Nach Mercys Bemerkungen war sie davon ausgegangen, Andrew Robinson sei ein alter Mann.
    »Wir haben über die Gefahr eines Tigerangriffs gesprochen«, bemerkte Johanna.
    »Die Tiere haben sich zu einer regelrechten Plage entwickelt«, bestätigte Andrew Robinson. »Kein Plantagenarbeiter ist seines Lebens sicher. Ich plane, demnächst auf die Jagd zu gehen. Würden Sie mir die Ehre erweisen und mich begleiten, Mr Uhldorff?«
    Hermann-Otto Uhldorff wehrte ab. »Vielen Dank für die Einladung, aber die Jagd liegt mir fern.«
    »Wie Sie meinen. Aber eine Partie Billard in den nächsten Tagen werden Sie mir nicht abschlagen.«
    »Selbstverständlich nicht.«
    Sie tauschten noch einige Höflichkeiten, bevor sich die Robinsons verabschiedeten.
    Auf der großen Veranda half Johanna ihrem Vater aus dem neuen weißen Jackett. Erleichtert streckte er sich. »Obwohl diese Anzüge besser sind als alles, was ich mitgebracht habe, schwitzt man doch erstaunlich.« Er nahm Lim ein Glas Fruchtsaft ab und trank einen Zug, bevor er sich in einem bequemen Liegestuhl niederließ. »Reverend Keasberry hat mich gefragt, ob ich in Singapur bleiben und ihm helfen will. Seit Missionsarbeit in China möglich ist, haben die Missionare Singapur in Scharen verlassen. Keasberry ist als Einziger geblieben, und die Arbeit wächst ihm über den Kopf. Du weißt, dass er ebenfalls von der London Missionary Society gesandt wurde?«
    Johanna nickte. Alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen, ihr Kopf wurde nur von einem Gedanken ausgefüllt: Friedrich! Sie musste doch nach Hongkong! Ihre Stimme war nur ein Krächzen. »Hast du denn zugesagt?«
    Hermann-Otto Uhldorff schüttelte den Kopf. »Ich ziehe deine Situation durchaus in Betracht, Johanna, obwohl mir das Angebot sehr gelegen kommt. Es gibt hier weiß Gott genügend Seelen zu retten, und wir würden deiner Mutter eine weitere Reise ersparen, ganz zu schweigen von dem

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