Die Insel der roten Erde Roman
seine Farmhelferin am Herd stehen konnte. Aber das behielt er für sich.
»Dass Sie das bei dem Gestank hier riechen können!« Carlotta hielt sich die Nase zu und verzog angewidert das Gesicht.
Evan warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Er war ganz vernarrt in seine Schweine. Täglich mistete er ihren Stall aus. Das besorgte er lieber selbst, damit es auch richtig gemacht wurde. Amelia musste den Mist dann im Gemüsegarten untergraben. »Was habt ihr denn heute gekocht?«
»Gemüsepastete mit italienischen Gewürzen. Bellissimo!« , schwärmte Carlotta und bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Ring, den sie an ihre gespitzten Lippen hielt. Sie lächelte triumphierend.
Evan konnte ihr überschwängliches Getue nicht ausstehen. Sie war das genaue Gegenteil seiner Jane, die immer still und zurückhaltend gewesen war. »Mmm«, machte er. Die Sache mit den Gewürzen behagte ihm nicht so sehr. Milo war ein heikler Esser; es kam zwar nicht oft etwas Neues auf den Tisch, aber was er nicht kannte, verschmähte er. Carlottas Brot allerdings aß er für sein Leben gern. Sie hatte Kräuter vom Festland mitgebracht – unter anderem Oregano und Basilikum, aber auch kleine Pfeffersträucher und Knoblauch – und in einem kleinen Garten neben dem Cottage eingepflanzt. Viele Kräuter trocknete sie selbst und brachte sie zum Kochen mit. Auch Knoblauchzehen durften an ihren Speisen nicht fehlen. Evan brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, sie solle nicht so viele Gewürze und Knoblauch verwenden. Wieder musste er an seine Jane denken. Auch sie war eine großartige Köchin gewesen, und obwohl sie nie so viele unterschiedliche Zutaten genommen hatte, waren ihre Gerichte immer schmackhaft gewesen.
Evan schaute seinen Sohn an. »Carlottas Brot schmeckt dir, nicht wahr, Milo?«
Der Junge strahlte und nickte und streckte verlangend die Hand aus. Evan musste lachen.
»Heute Abend bekommst du feine Pastete«, sagte Carlotta zu dem Jungen; dann blickte sie Evan an. »Gibt es etwas, das er nicht mag, signore? Das er nicht verträgt?«
Evan zuckte mit den Schultern. »Wir essen fast immer das Gleiche. Kartoffeln, Möhren und anderes Wurzelgemüse. Was oberirdisch wächst, fressen uns die Wallabys weg. Dazu gibt’s Fladenbrot und hin und wieder ein Huhn oder ein Lamm. Das alles verträgt Milo sehr gut.«
Milo stapfte munter durch den Stall und quietschte vor Vergnügen, wenn die Schweinchen ihn mit ihren nassen Rüsseln stupsten und beschnupperten.
»Es scheint ihm wieder gut zu gehen«, meinte Carlotta, die beim Anblick des kleinen Schmutzfinken innerlich zusammenzuckte. Sie beneidete die Zuchthäuslerin wirklich nicht darum, seine Sachen sauber halten zu müssen.
»O ja, es geht ihm prächtig!« Evan lächelte seinen Sohn zärtlich an.
»Wissen Sie inzwischen, was ihm gefehlt hat?«
Evan schüttelte bekümmert den Kopf. »Nein, ich habe keine Ahnung.« Er zerzauste dem Kleinen liebevoll die Haare. Die Geste rührte Carlotta; es kam selten vor, dass Evan seine Zuneigung zeigte.
»Wenn er wieder krank wird, sollten Sie ihn aber nach Kingscote bringen.«
Evan schwieg einen Moment. »Ich kann die Mädchen oder die Tiere nicht hier allein lassen«, erwiderte er dann.
»Aber wenn es etwas Ernstes ist, signore?« , beharrte Carlotta.
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn’s so weit ist«, brummte Evan in seiner gewohnt mürrischen Art. »Im Augenblick geht’s ihm ja gut.« Damit wandte er sich ab und begann, Mist zu schaufeln. Offenbar wollte er Carlotta zu verstehen geben, dass er die Unterhaltung als beendet betrachtete.
Doch als Carlotta sich schon zum Gehen wandte, sagte er plötzlich: »Hier draußen können die Kinder sich wenigstens nicht bei anderen Kindern anstecken. Deshalb sind sie hier weniger gefährdet als in der Stadt.« Er glaubte, sich dafür rechtfertigen zu müssen, dass er seine Sprösslinge von der Zivilisation fern hielt.
»Aber bei sechs bambini braucht man gelegentlich einen Arzt, oder?«, wandte Carlotta ein, um ihm Zweifel an seiner Entscheidung einzupflanzen.
»Ärzte können auch keine Wunder vollbringen«, knurrte Evan. »Manchmal muss man die Dinge nehmen, wie sie kommen.« Ein düsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Ob er wohl an seine verstorbene Frau dachte? Von Gabriel wusste Carlotta, dass Evan seine Frau vor etwa einem Jahr verloren hatte, und aus der belauschten Unterhaltung zwischen Sissie und der Zuchthäuslerin folgerte sie,
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