Die Insel der roten Erde Roman
auf euch machen, aber glaubt mir, ich kenne ihn von einer ganz anderen Seite.« Sie versuchte, den Ashbys einen bestimmten Verdacht einzuflüstern, dass nämlich Brian Huxwell nicht der Gentleman war, für den er sich ausgab. Und dem fragenden Blick nach zu urteilen, den Edna und Charlton beim Hinausgehen wechselten, hatte es offenbar funktioniert.
Brian Huxwell wartete im Tearoom des Ozone Hotel. Er musterte die Ashbys flüchtig, als sie den Raum betraten, und wandte sich dann wieder dem Blick aus dem Erkerfenster zu. Da er drei Personen erwartete, nahm er nicht an, dass es sich bei dem Paar um die Ashbys handelte.
Brian beobachtete, wie der Wind die Schaumkronen von den Wellen riss. Ihm graute jetzt schon vor der Rückfahrt nach Van-Diemens-Land. Er hatte die Reise nur Amelia zuliebe auf sich genommen, weil er sich persönlich davon überzeugen wollte, dass es ihr gut ging. Er hatte sich schreckliche Sorgen um sie gemacht und freute sich schon auf das Wiedersehen mit ihr.
Da er der einzige Fremde im Raum war und der Einzige, der allein an seinem Tisch saß, steuerten die Ashbys geradewegs auf ihn zu.
»Mr Huxwell?«, fragte Charlton höflich.
»Ja, der bin ich.« Brian erhob sich.
»Ich bin Charlton Ashby, und das ist Edna, meine Frau.« Die beiden Männer gaben sich die Hand. Dann ließ Brian den Blick in die Runde schweifen. »Wo ist denn Amelia?«
Charlton warf seiner Frau einen nervösen Blick zu.
»Ich fürchte, sie wird nicht kommen, Mr Huxwell«, sagte Edna.
»Oh!«, machte Brian sichtlich verstört.
»Dürfen wir uns setzen?«, fragte Charlton.
»Aber natürlich, entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit. Ich bin ganz … ich meine, ich habe mich darauf gefreut, Amelia wiederzusehen. Sie ist hoffentlich nicht krank?« Er rückte Edna den Stuhl zurecht.
»Sie ist … nicht sie selbst«, erwiderte Edna. »Haben Sie sich von der Reise erholt?«
»Es geht mir schon viel besser, danke der Nachfrage, aber mir ist immer noch ein bisschen schwummrig. Die Seefahrt ist nichts für mich, fürchte ich.«
»Wussten Sie, dass Amelias Schiff vor der Küste gekentert und gesunken ist?«
»Ja, wir hörten in Hobart Town von der Katastrophe. Ich war außer mir vor Sorge, bis ich dann erfuhr, dass sie gerettet wurde. Ich hätte ihr schreiben sollen, aber ich dachte, ich überzeuge mich lieber selbst davon, wie es ihr geht.« Brian Huxwell war ein hagerer Mann um die fünfzig mit freundlichen blauen Augen, sorgfältig gestutztem Oberlippen- und Vollbart und makellosem Äußeren. »Ich dachte … Ich hatte gehofft, dass die Wunden inzwischen verheilt sind. Es ist zwar noch nicht allzu lange her, aber in der neuen Umgebung und mit Ihrer Hilfe …«
»Ich glaube, wir müssen Ihnen etwas erklären«, sagte Edna sanft. Sie besaß eine ausgezeichnete Menschenkenntnis, auf die sie sehr stolz war. Der erste Eindruck war ihrer Ansicht nach entscheidend. Brian Huxwell schien ein Gentleman zu sein, ein geradliniger, aufrichtiger und sehr professioneller Mann. Edna konnte nicht glauben, was ihr Mündel angedeutet hatte. Auf der anderen Seite hatte Amelia sich von Anfang an sonderbar benommen, was Edna natürlich auf die Trauer über den Verlust ihrer Familie zurückgeführt hatte.
Sie sah ihren Mann Hilfe suchend an.
»Amelia hat sich geweigert, uns zu begleiten, Mr Huxwell«, sagte Charlton.
Alle Farbe wich aus Brian Huxwells Gesicht.
»Sie sagt, sie möchte niemanden sehen, der sie an ihr früheres Leben in Van-Diemens-Land erinnert«, fügte Edna hinzu.
»Was?« Ungläubiges Staunen zeichnete sich auf Brian Huxwells Zügen ab.
»Sie fürchtet die schmerzlichen Erinnerungen, die damit verbunden sind«, erklärte Edna.
»Aber dass sie mich nicht sehen möchte, kann ich einfach nicht glauben!«, stieß Brian hervor.
Charlton und Edna tauschten einen Blick. Brian Huxwell konnte sich offensichtlich genauso wenig einen Reim auf die Reaktion der jungen Frau machen wie sie selbst.
Schweigen senkte sich herab. Charlton bestellte Tee, um dem Anwalt Gelegenheit zu geben, die Fassung wiederzuerlangen.
Als der Tee serviert worden war, sagte Edna: »Wir hatten eigentlich gehofft, Sie würden uns erklären können, weshalb Amelia sich so sonderbar benimmt.«
»Ich? Ich bin genauso ratlos wie Sie«, erwiderte der sichtlich erschütterte Brian.
»Was für ein Mensch war Amelia vor dem tragischen Unfall ihrer Familie?«
»Sie war fröhlich und voller Lebensfreude. Camilla und Henry hatten alle Mühe, sie zu
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