Die Insel der roten Erde Roman
müssen, oder?« Dass jemand, der so selten die Wäsche machte, sie mit der Geübtheit einer chinesischen Wäscherin auf die Leine hängte, erstaunte Polly.
Sarah nahm zwei Wäscheklammern für einen von Ednas Unterröcken. Pollys Bemerkung machte ihr deutlich, wie sonderbar ihr Benehmen wirken musste. »Natürlich nicht«, antwortete sie. »Für solche Arbeiten hatten wir Personal. Aber ich mache nun mal gern Hausarbeit. Vielleicht bin ich ein bisschen seltsam in der Beziehung, aber ich finde, eine Frau sollte etwas vom Haushalt verstehen.«
Polly zuckte mit den Schultern. Miss Divine würde ein großes Vermögen erben – sie hatte gehört, wie die Ashbys darüber gesprochen hatten –, und vermutlich würde sie auch einen reichen Mann heiraten. So oder so, sie würde sich niemals selbst um ihren Haushalt kümmern müssen. »Wieso verstehen Sie eigentlich so viel vom Wäschewaschen und Strümpfestopfen?« Die Frage hatte Polly schon lange auf der Seele gebrannt, aber bisher hatte sie sich nicht zu fragen getraut. »Ich dachte, reiche Damen vertreiben sich die Zeit bestenfalls mit Sticken.«
Sarah lief rot an. Sie hatte keine Ahnung vom Sticken. »Wie ich schon sagte, ich tue es gern, und ich habe daheim unseren Dienstboten zugesehen.« Sie spähte aus dem Augenwinkel zum Nachbargrundstück hinüber, wo Betty Hammond ebenfalls Wäsche aufhängte. Da nur ein niedriger Zaun die beiden Anwesen trennte, konnte man ungehindert hinüberschauen. Furcht stieg in Sarah auf. Betty stellte eine Gefahr für sie dar, das spürte sie genau. Die Aborigine blickte immer wieder verstohlen herüber. Sarah wandte sich ab. »Ich habe ihnen sogar heimlich geholfen, wenn meine Eltern nicht da waren«, fuhr sie fort. »Sonst wäre es mir zu langweilig geworden.«
Wie ein reiches Mädchen sich langweilen konnte, war Polly ein Rätsel. Sie riss verwundert die Augen auf. »Aber Mrs Ashby sagt doch, Sie hätten viele Freunde gehabt, Partys besucht und Tanzunterricht gegeben. Hatten Sie nicht sogar Ponys? Wie kann es einem da langweilig werden?« Sie würde alles dafür geben, wenn sie nur einen einzigen Tag mit jemandem wie Amelia Divine tauschen könnte!
»Die Dienstboten haben mir Leid getan, weil sie so viel schuften mussten.« Sarah wurde allmählich nervös. Aber was hätte sie sonst erwidern sollen? Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Betty sie immer noch beobachtete. »Aber wenn du meine Hilfe nicht willst – bitte, dann eben nicht!« Sie spielte die Gekränkte.
»So war es nicht gemeint, Miss Divine«, versicherte Polly rasch. »Ich finde es nur nicht richtig, dass Sie meine Arbeit tun. Wenn Mrs Ashby das sähe, wäre sie böse auf mich.«
»Deshalb helfe ich dir ja nur, wenn sie nicht da ist.« Sarah spähte über die Wäscheleine zum Nachbargrundstück hinüber. Betty ließ sie nicht aus den Augen. »Aber da unsere neugierige Nachbarin anscheinend nichts Besseres zu tun hat, als uns zu beobachten, werde ich lieber wieder hineingehen. Sonst erzählt sie es vielleicht noch meiner Tante.« Sie ging zurück ins Haus. Polly winkte Betty zu und hängte die restliche Wäsche auf.
»Sie können sich bestimmt denken, weshalb wir hier sind, Dennis«, sagte Edna zu dem Arzt. Er war gerade im Begriff gewesen, das Haus zu verlassen und zu Percy Kirkbright zu fahren, der sich bei der Ernte am Bein verletzt hatte.
»Ja, Edna, aber ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Amelia scheint ein nettes Mädchen zu sein. Sie ist zwar ein wenig nervös und verschlossen, aber für jemanden, der kürzlich seine Familie verloren hat, hält sie sich erstaunlich gut. Ich hätte nicht erwartet, dass sie sich so unter Kontrolle hat.«
»Genau das meine ich doch! Sie … sie verschließt ihre Gefühle vollständig in ihrem Innern, und das kann doch nicht gut für sie sein! Sie spricht nie über ihre Eltern oder ihren Bruder, und sie weint auch nicht.«
»Seien Sie froh. Jeder verarbeitet seinen Schmerz auf andere Weise.«
Edna nahm an, dass er sie für neurotisch hielt. »Sicher, aber sie ist so schrecklich angespannt und ganz anders als die Amelia, die Camilla in ihren Briefen beschrieben hat.«
Dennis wusste, dass die Ashbys sich um ihr Mündel sorgten. Dennoch fand er, dass sie überreagierten. »Vielleicht hat Camilla übertrieben, als sie Ihnen die Vorzüge ihrer Tochter schilderte, um Sie zu beeindrucken. Das tun Eltern manchmal.«
»Camilla nicht!«, widersprach Edna empört. »Sie war nicht so!«
»Nun, dann kann ich die Veränderungen
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