Die Insel der roten Erde Roman
er würde dessen Leben nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Evan nickte. Er wusste, durch seinen Starrsinn würde er Milo nur schaden. »Ich lauf sofort zu Gabriel hinüber und bitte ihn, einem Fischerboot zu signalisieren, dass es anlegen soll.« Evan hoffte und betete, dass es nicht zu spät wäre, bis er seinen Sohn nach Kingscote zu einem Arzt bringen könnte. Er durfte Milo nicht auch noch verlieren!
»Es fahren doch bestimmt die ganze Nacht Schiffe vorbei, nicht wahr?«, fragte Amelia mit einem Blick in seine sorgenvolle Miene.
»Ja, aber nachts legt kein Schiff in Weirs Cove an. Wegen der Felsen und Riffe ist das zu gefährlich. Deshalb ist ja der Leuchtturm da – um vor den Gefahren zu warnen. Wenn wir Glück haben und die See nicht zu rau ist, kann im Morgengrauen vielleicht ein Fischerboot festmachen. Die einzige andere Möglichkeit wäre, dass ich mit dem Jungen nach Kingscote reite, aber das ist viel zu anstrengend für ihn.«
Evan schnappte seinen Mantel und warf einen letzten besorgten Blick auf seinen Sohn. Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihm etwas zustieße, nur weil er ihn nicht rechtzeitig zu einem Arzt gebracht hatte. »Ich beeil mich«, sagte er und ging.
Der kleine Junge würgte, hatte aber nichts mehr im Magen. Amelia flößte ihm ein wenig Wasser ein, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Nach ein paar Schlucken wandte Milo den Kopf ab und ließ sich wieder erschöpft auf das Lager fallen.
Als Evan zurückkam, war der Junge eingeschlafen. »Wie geht es ihm?«, fragte er leise.
»Ich glaube, das Schlimmste ist überstanden«, antwortete Amelia, was Evan allerdings nicht zu beruhigen vermochte. »Was hat Gabriel gesagt?«
»Im Morgengrauen gibt er den Fischerbooten, die vom Fang nach Kingscote zurückkehren, ein Signal. Eines wird bestimmt in der Bucht anlegen.«
»Sie haben das Richtige getan«, versicherte Amelia ihm. Das Warten würde eine Qual für Evan sein, das wusste sie. Sie konnte ihm seine innere Zerrissenheit ansehen. Einerseits wollte er nicht von der Farm fort, andererseits durfte er das Leben seines Sohnes nicht gefährden.
»Wenn ich nur wüsste, was ihn so krank gemacht hat!« Evans Stimme zitterte vor Sorge, während er seinen friedlich schlafenden Sohn betrachtete. Nichts deutete darauf hin, dass er sich nur eine Stunde zuvor vor Schmerzen gekrümmt hatte. Wie klein und zerbrechlich er wirkte!
»Ich denke, er wird bis morgen Früh durchschlafen«, sagte Amelia, die ebenfalls auf Milo hinunterschaute. »Ich gehe wieder in meine Hütte. Rufen Sie mich, falls es ihm plötzlich schlechter gehen sollte.«
Amelia wandte sich schon zum Gehen, als jemand an die Tür klopfte. Sie öffnete und sah sich Edgar und Carlotta gegenüber.
»Ich habe gehört, was geschehen ist!«, rief Carlotta. »Armer bambino !« Sie drängte sich an Amelia vorbei und eilte zum Bett des Jungen. Sein blasses Gesichtchen wurde von seinen schweißfeuchten Locken umrahmt. Er sah schwach und elend aus, und für einen kurzen Augenblick hatte Carlotta ein schlechtes Gewissen. Doch um ihr Ziel zu erreichen, war ihr kein Opfer zu groß.
»Er ist eingeschlafen«, sagte Amelia. »Ich glaube, das Schlimmste ist überstanden, aber Evan wird ihn morgen Früh auf jeden Fall nach Kingscote zu einem Arzt bringen.«
Auch Edgar trat an das Bett des Jungen. »Gabriel und ich werden uns um die Farm kümmern, Evan«, sagte er, »machen Sie sich deswegen keine Gedanken.« Carlotta war gar nicht begeistert, als sie das hörte; er konnte es ihr ansehen. »Sorgen Sie nur dafür, dass Milo wieder ganz gesund wird.«
»Ich danke Ihnen, Edgar«, erwiderte Evan. »Ich weiß das zu schätzen.«
Auch Amelia fiel Carlottas säuerliche Miene auf. Ob die Italienerin eifersüchtig war, weil Gabriel und ihr Mann viel Zeit auf der Farm verbringen würden? Das wäre typisch für diese selbstsüchtige Person, dachte sie. Sie selbst war allerdings auch nicht begeistert. Zwar hatte sie akzeptiert, dass es für Gabriel und sie keine gemeinsame Zukunft geben konnte, doch an ihren Gefühlen für ihn änderte das nichts. Deshalb würde seine Anwesenheit eine Qual für sie sein.
Carlotta wandte sich an Evan. »Warum nehmen Sie Sarah nicht mit? Sie könnte Ihnen mit Milo helfen, und ich kümmere mich unterdessen um die bambini hier.« Dann wäre sie die Zuchthäuslerin los. Und wer weiß, vielleicht würde der Arzt Evan nahe legen, mit seiner Familie in die Stadt zu ziehen.
Amelia verschlug es die Sprache. Unglaublich,
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