Die Insel der roten Erde Roman
auf was für Ideen diese Frau kam, nur damit sie mit Gabriel allein sein konnte! Auch Sissie war verärgert. Der Gedanke, Carlotta ständig um sich zu haben, gefiel Sissie gar nicht. Inzwischen war Sarah ihr eine viel liebere Freundin geworden. »Es wäre besser, wenn Sarah bei uns bliebe, Papa«, sagte sie, worauf Carlotta sie wütend anfunkelte.
»Sarah bleibt da«, sagte Evan entschieden. »Ich schaffe das mit Milo schon allein.«
Etwas an der Art, wie er das sagte, rief Amelia ins Bewusstsein zurück, dass sie eine Strafgefangene auf Bewährung war, der man nicht trauen konnte. Evan scheute offensichtlich das Risiko, sie nach Kingscote mitzunehmen. Wahrscheinlich fürchtete er, sie könnte einen Fluchtversuch unternehmen. Gedemütigt wandte sie sich ab.
Carlotta war enttäuscht, gab sich aber noch nicht geschlagen. »Und wenn der Arzt nichts findet, signore? Was tun Sie dann?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Evan. »Hoffen wir, dass er meinem Jungen helfen kann.«
Der Arzt würde niemals herausfinden, dass dem Jungen etwas verabreicht worden war, das seine Übelkeit ausgelöst hatte, davon war Carlotta überzeugt. Dennoch würde sie sich auf alle Fälle einen weiteren Plan zurechtlegen, um die Zuchthäuslerin loszuwerden.
Als Carlotta und Edgar gegangen waren, wünschte Amelia den Kindern eine Gute Nacht. »Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen«, sagte sie zu Evan und wandte sich zum Gehen.
»Sarah! Mir ist wohler, wenn ich dich bei meinen Töchtern weiß, solange ich fort bin. Milo wird dich vermissen, aber ich bin ja bei ihm, und es wäre mir wirklich eine große Beruhigung, wenn du hier bist.«
Amelia schaute ihn überrascht an. »Und ich dachte, Sie wollten mich nicht mitnehmen, weil …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Es gibt nicht viele Menschen, denen ich vertraue«, sagte Evan schlicht. Er blickte wieder auf seinen Sohn, und Amelia kamen die Tränen. Evan war ein schwieriger Mann, das war ihr mittlerweile klar geworden; ein größeres Lob hätte er ihr nicht machen können.
»Das bedeutet mir sehr viel, Evan. Ich werde Sie nicht enttäuschen«, flüsterte sie und verließ das Haus.
Als Gabriels Schicht um acht Uhr am anderen Morgen endete, machte er sich unverzüglich auf den Weg zur Finnlay-Farm. Er hatte gute Nachrichten für Evan: Die Swordfish hatte sein Signal aufgefangen und in Weirs Cove angelegt. Evan, der vor Sorge kein Auge zugetan hatte, fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte bereits das Nötigste gepackt. Milo war zwar immer noch geschwächt, doch es ging ihm schon ein wenig besser. Amelia und die Mädchen begleiteten die Männer zur Bucht. Auf dem Kliff wehte ein böiger Wind. Milo schaute verwirrt drein, als Gabriel ihn und seinen Vater zur Anlegestelle hinunterließ und seine Schwestern oben zurückblieben. Am Fuß der Felswand nahm Kapitän Cartwright Evan und den Jungen in Empfang, und kurz darauf legte das Schiff ab. Amelia und die Mädchen kehrten zur Farm zurück.
Gabriel folgte ihnen. Von Evan wusste er, dass die Schafe auf der Weide genug zu fressen fanden, doch er würde ein Auge auf die Lämmer haben und dafür sorgen müssen, dass sie genug Wasser bekamen. Die Hühner würden von den Kindern gefüttert; um die Ferkel, die Kuh und das Pferd würde er selbst sich kümmern.
Ohne ein Wort oder einen Blick in seine Richtung eilte Amelia ins Haus. Gabriel ging zum Stall, um Clyde zu versorgen, dem Evan an diesem Morgen noch kein Futter gegeben hatte. Er füllte seine Raufe und ließ ihn dann auf die Koppel hinaus. Er hörte die Hühner gackern, als die Mädchen ihnen ihre Körner hinstreuten. Während er die Ferkel fütterte, kam Sissie mit dem Melkschemel und einem Eimer, um die Kuh zu melken.
Nach einer Weile bemerkte Gabriel, dass Sissie ihn beobachtete. In der einen Hand hielt sie den Eimer mit der frischen Milch, in der anderen den Melkschemel. Sie wirkte bedrückt, und Gabriel lächelte ihr beruhigend zu.
»Wird Milo wieder gesund, Gabriel?«, fragte sie.
»Ganz bestimmt, Sissie.« Er wollte nicht, dass die Mädchen sich noch mehr ängstigten. »Du wirst sehen, sobald der Arzt herausgefunden hat, was ihm fehlt, wird er ihm etwas verschreiben, das ihn wieder gesund macht. Er wird schneller wieder zurück sein, als du glaubst.«
»Als es Milo das erste Mal schlecht ging, hatte er kurz zuvor einen von Carlottas Keksen gegessen. Sie hatte ihn extra für Milo gebacken.«
»Extra für Milo? Was war denn an dem Keks so Besonderes?«
»Keine Ahnung.
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