Die Insel der roten Erde Roman
einen Schweinestall gebaut.«
»Ja, er ist fast fertig. Ich hoffe, die bestellten Ferkel kommen zusammen mit den Vorräten Ende des Monats. Ich wollte mir gerade Tee aufbrühen. Trinkst du eine Tasse mit?«
»Gern.«
»Ich möchte Sie um etwas bitten, Evan«, sagte Amelia.
»Und das wäre?«, gab er misstrauisch zurück. Was es auch sein mochte – er war sicher, es würde ihm nicht gefallen.
»Wenn ich mit den Mädchen Hausaufgaben mache, kann ich dann die Sonntagnachmittage freihaben, um die Gegend zu erkunden?« Gabriels Ausführungen über den Kurzschnabeligel hatten ihre Neugier geweckt. Sie hätte gern mehr über die Fauna und Flora der Insel erfahren.
Gabriel fand es nicht verwunderlich, dass sie in der Lage war, den Kindern bei den Schularbeiten zu helfen. Sie war allem Anschein nach eine intelligente, aufgeweckte Frau. Auch das passte nicht in das Bild, das man sich normalerweise von einer Strafgefangenen machte.
Evan blickte sie verdutzt an. Amelia hatte ihre Bitte absichtlich in Gabriels Gegenwart geäußert, weil sie glaubte, Evan werde dann nicht ablehnen oder sie gar anbrüllen. Doch sie hatte sich geirrt.
Schon verfinsterte sich seine Miene. Nach einem kurzen Seitenblick auf Gabriel stieß er hervor: »Kommt gar nicht in Frage!«
»Ich finde, das wäre nur gerecht«, wandte Amelia ein. »Ich werde meine Pflichten deswegen nicht vernachlässigen.«
Gabriel zögerte. Er wollte sich nicht einmischen, fand den Vorschlag der jungen Frau aber vernünftig. »Die Entscheidung liegt natürlich bei dir, Evan«, sagte er, »aber ich halte das für ein faires Angebot.«
»Eine Zuchthäuslerin hat keine Angebote zu machen, sondern zu gehorchen«, blaffte Evan.
»Es kommt darauf an«, erwiderte Gabriel. »Wenn die Zuchthäuslerin lesen und schreiben kann, ist das ein gewaltiger Pluspunkt, findest du nicht?«
Evan blickte ihn an, erwiderte jedoch nichts.
»Meiner Meinung nach hättest du bei diesem Handel nur Vorteile«, fügte Gabriel ruhig hinzu.
Evan musterte Amelia grimmig. Sie hielt unwillkürlich den Atem an. »Zwei Stunden«, stieß er hervor. »Du kannst zwei Stunden freihaben. Keine Minute länger. Sei froh darüber!«
»Drei!«, forderte Amelia kühn. Jetzt, da sie einen ersten Sieg errungen hatte, beschloss sie, alles auf eine Karte zu setzen.
Evan, um Selbstbeherrschung bemüht, holte tief und geräuschvoll Luft. »Also gut, drei. Aber du bist pünktlich zurück, oder die Abmachung ist hinfällig, verstanden? Und du wirst meine Mädchen mehr als drei Stunden die Woche unterrichten!«
»Abgemacht«, stimmte Amelia zu. Innerlich frohlockte sie, ließ sich aber nichts anmerken.
Evan stapfte davon. Gabriel lächelte Amelia anerkennend zu und folgte ihm ins Haus.
Drinnen fragte Evan ihn, wie er mit den Dixons auskomme.
»Edgar ist ein feiner Kerl. Manchmal bringt seine Frau ihn allerdings ein bisschen aus dem Konzept«, erwiderte Gabriel.
Evan hob die buschigen Brauen. »Das überrascht mich nicht. Sie ist nicht mal halb so alt wie er. Hoffentlich schläft er während seiner Schicht nicht ein!«
Das ist nicht das Problem, dachte Gabriel. Carlotta kannte nur eine Leidenschaft: ihrem Mann das Leben schwer zu machen. »Ich glaube, er hat es nicht leicht mit ihr.« Im Grunde tat Edgar ihm Leid. »Ich habe den Eindruck, er wusste überhaupt nicht, worauf er sich einließ, als er sie geheiratet hat.« Da sie alle so nahe beieinander lebten, wollte er nicht ins Detail gehen.
»Sie kam mir reichlich überdreht vor«, sagte Evan. »Mir wäre sie entschieden zu anstrengend. Aber wenn sie unbedingt ihre Mahlzeiten an den Mann bringen will – sie kann sie uns ja vorbeibringen. Wir könnten mal wieder ein anständiges Essen vertragen«, fügte er hinzu und rollte vielsagend mit den Augen. Gabriel musste lächeln.
Bevor er sich später auf den Heimweg machte, ging er noch einmal zu Amelia und fragte: »Was machen Sie am Sonntag, wenn ich fragen darf?«
»Ich weiß noch nicht. Ich wollte erst abwarten, wie Evan reagiert. Dass er auf meinen Vorschlag eingegangen ist, habe ich nur Ihnen zu verdanken.«
»Der Admirals Arch lohnt einen Ausflug, vor allem wegen der Robben, aber es sollte nicht zu windig sein für einen Abstecher dorthin. Man kann auch zu den Remarkable Rocks spazieren. Unterwegs gibt es viele Tiere zu beobachten.«
»Komme ich in drei Stunden dorthin und wieder zurück?«
»Ja, es ist nicht weit. Aber die Landschaft dort ist so einmalig, dass man leicht die Zeit vergisst.«
»In
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