Die Insel der roten Erde Roman
Fieber?«
»Ich glaube, es ist ein wenig gesunken.«
»Ciao!« , hörten sie Carlotta rufen. Einen Topf in den Armen, kam sie auf die beiden Männer zu. Zwei Tage zuvor hatte Evan ihr als Ausgleich für das Essen, das sie ihnen brachte, ein Huhn, einen Sack Mehl und frisches Gemüse mitgegeben. »Ich bringe die Suppe. Ich habe das Huhn, Linsen und Gemüse hineingetan. Sie ist bellissimo geworden! Ihr Junge wird bald wieder bei Kräften sein, vero?«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Evan. Die Suppe duftete köstlich. Carlotta mochte zwar Haare auf den Zähnen haben, aber kochen konnte sie, das musste man ihr lassen.
»Ich mag bambini , und ihr seid so gute Menschen«, erwiderte sie mit zuckersüßer Stimme.
»Ich habe Post für Sie«, sagte Gabriel. Da sie beide Hände brauchte, um den Suppentopf zu halten, fügte er hinzu: »Ich werde sie Edgar geben.«
»Ist etwas von meiner Familie dabei?«, fragte Carlotta aufgeregt.
»Das weiß ich nicht.«
»Nochmals danke, dass du die Post geholt hast«, sagte Evan zu Gabriel.
Dieser nickte nur. Obwohl er todmüde war, konnte er seine Ungeduld kaum zügeln. Er musste wissen, was in dem Brief aus Kingscote stand. »Ich gehe nach Hause und leg mich hin. Ich komme später nochmal vorbei, um nach Milo zu sehen.«
Carlotta drückte Evan eilig den Topf in die Hand. »Warten Sie, ich komme mit!«
Gabriel hätte auf ihre Gesellschaft verzichten können, aber was hätte er tun sollen?
Während Carlotta auf dem Rückweg ununterbrochen schnatterte und von ihren Schwestern, ihren Eltern und ihrer italienischen Heimat erzählte, versank Gabriel in dumpfes Schweigen. Er konnte es kaum erwarten, allein zu sein.
Erst nach einer ganzen Weile fiel Carlotta auf, wie wortkarg er war. »Sie sind so still heute, Gabriel. Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Ich bin zum Umfallen müde. Ich war die ganze Nacht auf und habe einen stundenlangen Ritt hinter mir.«
»Ah, sì! Sie müssen Schlaf nachholen.«
»So ist es, Carlotta.« Sie hatten den Rand der Lichtung erreicht. »Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen«, sagte Gabriel. Ohne ein weiteres Wort verschwand er in seinem Cottage, machte die Tür hinter sich zu und drehte einer spontanen Eingebung folgend den Schlüssel im Schloss. Innerlich stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus. Er hatte eine regelrechte Abneigung gegen Carlotta entwickelt. Der arme Edgar tat ihm Leid. Gabriel war überzeugt, dass seine Ehe unglücklich war.
Carlotta hörte, wie die Tür abgeschlossen wurde. »Was glaubt der denn?«, murrte sie gekränkt vor sich hin. »Dass ich gewaltsam eindringe und ihn verführe?« Natürlich würde sie das liebend gern tun, doch das war nicht der Punkt. Das Blut schoss ihr ins Gesicht, und ihre Laune verschlechterte sich dramatisch. Edgar wusste es noch nicht, aber ihm stand ein schlimmer Tag bevor.
Gabriel saß auf seinem Bett und betrachtete den Umschlag in seinen Händen. Es hing so viel von diesem Brief ab. Lag ein Irrtum vor, würde seine geliebte Sarah – oder wie immer sie heißen mochte – frei sein und selbst über ihr Leben entscheiden können. Dann würde nichts mehr sie beide daran hindern, sich zu ihren Gefühlen füreinander zu bekennen. Gabriel hatte sich in sie verliebt, hatte es bisher aber nicht gewagt, ihr seine Zuneigung zu gestehen. Falls sie für ihn dasselbe empfand – und daran zweifelte er nicht –, würde sein Geständnis in der jetzigen Situation alles nur noch erschweren. Er atmete tief durch und riss mit fahrigen Bewegungen den Umschlag auf.
Als Gabriel am Nachmittag zur Farm hinauskam, verriet seine Miene Amelia sofort, dass etwas nicht stimmte. Da es Milo inzwischen schon viel besser ging, hatte sie ihn hinüber zu seinen Schwestern gebracht, die sich rührend um ihn kümmerten.
Gabriel brachte es nicht fertig, Amelia anzusehen. Er machte einen so niedergeschlagenen Eindruck, dass ihr klar war, er hatte schlechte Nachrichten.
»Diese Amelia Divine hat dir geschrieben, nicht wahr?«, sagte sie, als er ihrem Blick beharrlich auswich.
Gabriel schwieg betreten.
Amelia, die vor der Tür gestanden hatte, wandte sich ab und ging unsicheren Schrittes zu dem Zaun, der den Gemüsegarten umschloss. Sie lehnte sich dagegen, ließ den Kopf sinken und brach in Tränen aus.
Gabriel ging zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir Leid«, sagte er leise. Es fiel ihm unendlich schwer, in ihr die Frau zu sehen, wie Miss Divine sie in ihrem Brief geschildert hatte. Die
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