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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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auseinander.
     
    Sehr geehrter Mr Donnelly,
    mit Erstaunen habe ich Ihren Brief gelesen. Ich bin empört, dass Sarah Jones Sie zu überzeugen versucht, nicht die Strafgefangene zu sein, die den Rest ihrer Haftzeit auf der Farm von Mr Finnlay zu verbüßen hat. Auch wenn Sie es vielleicht nicht gern hören – ich kann nur wiederholen, was ich Ihnen bereits mitgeteilt habe. Sarah Jones hatte sich mit Lucy angefreundet, meiner Dienerin, die mir berichtete, was Miss Jones ihr anvertraut hat. Sie sei eine Strafgefangene, sagte sie, die eine Reststrafe von zwei Jahren bei einem Farmer mit sechs Kindern abarbeiten müsse; dann wolle sie nach Bristol zurückkehren. Ich will Ihnen nicht verheimlichen, dass Lucy hinzufügte, Miss Jones empfinde offenbar keinerlei Reue. Lucy hatte im Gegenteil den Eindruck, dass sie falsch und unaufrichtig war. Ich weiß nicht, wie die arme Lucy zu dieser Einschätzung kam, aber es scheint, als hätte sie Recht behalten.
    Ich habe lange gebraucht, bis ich Lucys Tod überwunden hatte. Seit ich bei den Ashbys bin, musste ich immer wieder an das Schiffsunglück denken. Eine schreckliche Erinnerung steht mir besonders schmerzlich vor Augen: Ich saß bereits im Rettungsboot und rief nach Lucy, als ich mit ansehen musste, wie Miss Jones sie zur Seite stieß, um sich einen Platz im Boot zu sichern. Natürlich herrschte an Bord ein heilloses Durcheinander, und jeder dachte nur daran, sein eigenes Leben zu retten. Dennoch sagt das Handeln eines Menschen in solchen Situationen viel über seinen Charakter aus, und ich kann Sarah Jones niemals verzeihen, was sie Lucy angetan hat. Die Ashbys sind wunderbare Menschen, aber Lucy war für mich die Schwester, die ich nie hatte, und sie fehlt mir mit jedem Tag mehr. Nachdem Sie Miss Jones und mich gerettet hatten, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin, stand ich unter Schock. Nichtsdestoweniger bedauere ich, Miss Jones für ihre Tat nicht zur Rechenschaft gezogen zu haben. Sie hat Lucy geopfert, um ihr eigenes Leben zu retten.
    Ich weiß nicht, was Miss Jones Ihnen erzählt hat, aber vielleicht fällt es dieser Frau schwer, mit der Situation zurechtzukommen, nachdem sie ihr Gedächtnis verloren hat. Ich fürchte, Sie haben nur Ihre Zeit verschwendet, als Sie die Gefängnisbehörde angeschrieben und um Informationen über sie gebeten haben. Miss Jones wird ihre volle Strafe verbüßen müssen, und dabei kann sie sich noch glücklich schätzen, dass sie für eine weitere Tat nicht zur Verantwortung gezogen wird – ihrem eigenen Leben den Vorrang vor dem Leben eines wundervollen Menschen gegeben zu haben.
    Die Ashbys lassen Sie herzlich grüßen.
     
    Mit den besten Empfehlungen
    Amelia Divine
     
    Amelia war vor Schmerz wie betäubt. Der Brief glitt ihr aus den Händen und fiel zu Boden. Tränen füllten ihre Augen.
    »O Gott!«, stieß sie hervor. »Ich bin ein … Ungeheuer!«
    Als Gabriel die Hand nach ihr ausstreckte, zuckte sie zurück und sprang auf.
    »Du bist nicht dieser Mensch, Sarah«, sagte er eindringlich.
    Sie schien ihn gar nicht zu hören. »Wie konnte ich so grausam und herzlos sein?« Obwohl sie sich nicht erinnern konnte, wusste sie tief in ihrem Innern, dass sie ihr eigenes Leben auf Kosten eines anderen Menschen gerettet hatte. »Ich bin schuld an Lucys Tod! Wie soll ich damit leben?« Sie wirbelte herum und stürmte die Treppe hinunter.
    Gabriel versuchte, sie aufzuhalten, doch sie rannte weiter. Er hoffte inständig, dass sie keine Dummheit beging und überlegte, ob er ihr nachlaufen sollte, aber er durfte seinen Posten nicht verlassen. Erlosch das Leuchtfeuer, konnte dies unzählige Menschen das Leben kosten.
     
    »Du bist heute so komisch, Sarah«, sagte Sissie. Sie legten Wäschestücke zusammen, und Amelia war ungewöhnlich still. Manchmal hielt sie inne und starrte abwesend auf einen Punkt in der Ferne. Dann wusste Sissie, dass Sarah sich wieder einmal durch das Dunkel kämpfte, das sich über ihre Vergangenheit gelegt hatte. Trotz allem war sie meistens guter Dinge gewesen, und ihre fröhliche Zuversicht war noch gewachsen, seit sie und Gabriel einander näher gekommen waren. An diesem Tag allerdings machte sie ein Gesicht, als lasteten alle Sorgen dieser Welt auf ihren Schultern.
    »Hast du Angst, du wirst nie herausfinden, wer du wirklich bist?«, fragte Sissie.
    Amelias Unterlippe bebte. »Noch gestern Morgen hätte ich alles dafür gegeben, endlich zu erfahren, wer ich bin. Aber heute …« Sie brach ab, und ihre Augen schimmerten

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