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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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fragte er.
    In der Luft kreisten dort zahlreiche schwarze Geier, andere saßen in den Sträuchern.
    „Sie halten jetzt ein Festmahl", erklärte er. „Bis dorthin hat er sich geschleppt und ist dann verreckt. Wagura bemerkte die Vögel ... Er ging hin und fand ihn tot ... Er zog ihm das Fell ab. Jetzt fressen die Vögel sein Aas, und wir leben ..
    Arnak lächelte, wobei er seine Zahnlücken entblößte.
    „Wie lange liegen wir schon?" fragte ich.
    „Den fünften Tag, Herr."
    „Schon den fünften Tag? So lange habe ich geschlafen?"
    Es stand schlecht mit mir. Der Jaguar hatte mir mit den Krallen tiefe Wunden an der Brust zugefügt und die Muskeln des linken Armes zerbissen. Den Knochen zerbrach er jedoch nicht! Es war zu befürchten, daß Blutvergiftung und Brand eintraten. Durch eine glückliche Fügung hatte Wagura bei dem Abenteuer keinerlei Verletzungen davongetragen, und da er früher im heimatlichen Dorf dem Zauberer zur Hand gegangen war, verstand er etwas von Heilkräutern. Diese Kenntnis kam uns jetzt vortrefflich zustatten; wer weiß, ob wir ihr nicht unser Leben verdankten. Der Junge brachte aus dem Wald allerlei Arzneien. Einige davon stillten das Blut, das reichlich aus den Wunden rann; andere beugten einer Blutvergiftung vor; wieder andere, die wir einnehmen mußten, bewirkten die Reinigung des Organismus von Giftstoffen. Obgleich Arnak nicht so schwer verwundet war wie ich, ließ er die gleiche Kur über sich ergehen. In den ersten Tagen hing mein Leben an einem Faden; doch überwand ich diesen mißlichen Zustand, und als ich am fünften Tage das Bewußtsein wiedererlangte, fühlte ich, daß die schwerste Zeit hinter mir lag.
    Die Begebenheiten mit dem Jaguar und deren Folgen durchkreuzten unseren Plan, die Insel bald zu verlassen. Dank Waguras Pflege vernarbten unsere Wunden nicht schlecht, doch zog sich unsere Genesung im Schneckentempo hin. Nur sehr langsam kam ich wieder zu Kräften. Es verflossen Wochen und Monate. Ich mußte mich mit großer Geduld wappnen und liegen, ruhig liegen.
    Nahrung hatten wir genug, obgleich nur Wagura in den Wald ging. Die Natur lieferte Obst, Nüsse, Gemüse und Wurzeln in Fülle. Hasen gab es allerdings immer weniger. Es schien, als hätten wir sie in unserm Teil der Insel ausgerottet. Überhaupt mangelte es an Fleisch, doch kamen wir auch ohne dieses aus. Um Schildkröten von der Westseite der Insel zu holen, war es zu weit, und die Brutstätte im Norden, die einst von Papageien wimmelte, lag, wie Wagura sich überzeugt hatte, immer noch verödet da. Anscheinend war die Paarungszeit dieser Vögel noch nicht gekommen.
    Als ich so wochenlang in unfreiwilligem Müßiggang ausruhte, gingen mir eigenartige Gedanken durch den Kopf. Wenn ich Wagura betrachtete, wie er sich geschäftig mühte, dieser Junge, ohne dessen Hilfe ich verhungert wäre, und wenn ich mich oft mit Arnak über seinen heimatlichen Stamm unterhielt, gingen große Veränderungen in mir vor. Meine frühere unbegründete Voreingenommenheit gegen die Indianer schwand allmählich dahin.
    Jetzt erkannte ich die Wahrheit: Wie sehr hatte ich mich geirrt! Wie irrten sich die Virginier und die Puritaner von Neuengland, die die Eingeborenen schändlicherweise ihres Landes beraubten und ihnen, um ihr eigenes Gewissen zu beruhigen, Haß und Verachtung entgegenbrachten. Jetzt erst begriff ich den verworrenen Zusammenhang zwischen der Habgier der Räuber und ihrem ungerechten Urteil über die Beraubten.
    Schon früher, vor mehreren Wochen, hatte ich bemerkt, daß meine beiden Kameraden keineswegs gedankenlose Geschöpfe waren. Wenn ich sie sorgfältig beobachtete, entdeckte ich an ihnen die gleichen Eigenschaften, die uns Europäer kennzeichnen. Die jungen Indianer unterlagen den gleichen Gemütsbewegungen wie ich, hatten ähnliche Sorgen
    und Freuden, waren fähig, die Ungerechtigkeit zu hassen und jene Charakterzüge zu lieben, die auch bei uns als schätzenswerte Eigenschaften angesehen werden.
    Einst wollte ich aus ihnen treue Diener von der Art des Freitag machen. Welch ein Irrtum! Sie widersetzten sich meinen Versuchen, wollten sich nicht unterwerfen, nicht Diener sein. Als jedoch die Stunde der Bewährung kam, setzten sie sich selbst der Gefahr aus und retteten mir, wie die besten Freunde, das Leben.
    Ich schämte mich, daß ich die Indianer bisher so ungerecht eingeschätzt hatte, und ich grollte meinen englischen Landsleuten dort im Norden. Mit jedem Tag wurde ich mir des Unrechts mehr bewußt, das die

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