Die Insel der Verdammten
geflochtene Segel, das quer über das Floß gespannt war rstand gut vor dem Wind. An der linken Seite ruderte ich, an der rechten Arnak, Wagura steuerte.
Wir ruderten nicht viel, der Wind trieb uns ausgezeichnet. Nach zehn Minuten hatten wir uns eine gute Viertelmeile vom Ufer entfernt. Alles ging gut, leichte Wellen plätscherten gegen den Rand des Floßes.
Aufs neue wurde ich gerührt, als ich einen letzten Blick auf die liebgewordenen Stätten warf; die Anhöhe mit der Höhle, die bekannten Stellen im Dickicht, die seichte Mündung des Baches, einzelne Palmen, alles das, was ich so lange von der anderen, der Landseite betrachtet hatte.
„Ich bin neugierig", sagte ich, „ob die Insel einen Namen hat."
„Ich denke, sie hat einen", erwiderte Arnak.
„Vielleicht auch nicht. Überleg mal, sie ist unbewohnt; wir haben keinerlei Spuren menschlicher Anwesenheit, nicht einmal früherer, entdeckt. Ich glaube, wir waren die ersten Menschen, die hier gelebt haben."
„Gewiß, Jan."
„Laß uns daher der Insel einen Namen geben, Arnak! Aber welchen? Vielleicht Robinsoninsel? Ob Robinson existiert hat oder nicht, ist gleichgültig, unwichtig ist auch, daß er nie hier gewesen ist; ich jedoch habe wie Robinson in seiner Abgeschiedenheit auf dieser Insel gelebt. — Ja, das soll unsere Robinsoninsel sein! — Arnak, Wagura, seid ihr einverstanden?"
Die Jungen wechselten Blicke miteinander und widersprachen beide kopfschüttelnd.
„Wie, gefällt euch der Name nicht?" fragte ich.
„Nein, Jan, wir haben einen anderen Namen für sie", erwiderte Arnak und lächelte, als er meine Verwunderung bemerkte.
„Welchen?"
„Jan, du sagtest uns doch, dein Name sei Bober, nicht wahr?"
„Jawohl, aber was hat das damit zu tun?"
„Ob du es willst oder nicht, wir nennen sie ,Bobers Insel' . .“
Und so haben wir in unseren Gesprächen, anfangs halb im Scherz und dann schon dauernd, diesen Namen beibehalten: Bobers Insel.
Eine Stunde später hatten wir uns so weit von der Insel entfernt, daß ihre Ufer, der Pflanzenwuchs und der Berg in einem leichten Nebel gehüllt waren, der dem Ganzen eine eintönige, bläuliche Färbung verlieh. Der frische Wind verlor leider an Stärke, je weiter wir aufs Meer hinauskamen, und flaute schließlich ganz ab. Wir legten uns in die Riemen. Nachdem wir einige Stunden angestrengt gerudert waren, hatten wir etwa ein Drittel des Weges zurückgelegt. Die Umrisse des Ufers, dem wir zustrebten, traten jetzt deutlicher hervor.
Das Meer war so ruhig, daß es stellenweise glatt wie ein großer See dalag. Als wir jedoch ungefähr die Mitte der Meerenge erreichten, bemerkten wir knapp eine Meile vor uns einen merkwürdigen, von zahllosen kleinen Wellen gekräuselten Meeresstreifen. Diese Stelle zeichnete sich von der übrigen Wasserfläche durch eine dunklere, tiefblaue Färbung ab. Die Indianer wurden unruhig.
„Sollte dort der Wind wehen?" Ich wies nach vorn.
„Nein, Jan, das ist nicht der Wind", entgegnete Arnak. „Das ist die Strömung! Wir kennen sie."
„Dann wird der Tanz bald losgehen?"
„0 ja."
Wir stärkten uns mit Maisfladen und den süßen gelben Paradiesäpfeln.
Unsere Plätze an den Dollen behielten wir wie bisher: ich an Backbord, weil man an dieser Stelle der Strömung mehr Widerstand leisten und kräftiger durchziehen mußte, Arnak an Steuerbord, und Wagura führte achtern das Steuerruder. Natürlich kehrten wir Ruderer der Floßspitze den Rücken zu und sahen daher nicht viel davon, was mit uns vorging, doch machte sich die Veränderung bald an den Riemen bemerkbar. Die Bewegung der Wassermassen hielt sie mit unsichtbaren Klauen zurück. Wir mußten kräftig rudern, und auch Wagura stemmte sich fester gegen das Steuerruder, um nicht vom Kurs abzutreiben. Wir gerieten in den Strömungsbereich.
Die Strömung wälzte sich einige Meilen breit wie ein Fluß von Ost nach West, längs des Landes, das wir für das Festland hielten. Je weiter wir hineingerieten, um so mehr nahm sie an Stärke zu. Geräuschvoll glucksend schlug das Wasser gegen die Floßstämme. Trotz übermenschlicher Anstrengungen gelang es uns nicht, den festgesetzten Kurs beizubehalten: Die Strömung stieß uns nicht nur seitwärts, nach Westen, sondern kreiste sogar das eine und andere Mal rings um unser Floß, als triebe sie ihr Spiel mit ihm.
„Das macht nichts!" rief ich den Kameraden zu und zog den Riemen für einen Augenblick aus dem Wasser. „Wir wollen unsere Kräfte nicht unnütz vergeuden. Was tut's
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