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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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oder vielleicht sogar Jahren fühlte Rhonda sich leicht und schwebend, als könnte sie vielleicht gleich beim nächsten Schritt vom Boden abheben.
     
    In dieser Nacht träumte Rhonda von U-Booten . Sie befand sich in einem kleinen, zylindrischen U-Boot , das sie mit einer Kurbel antrieb. So arbeitete sie sich durchs Wasser auf ein anderes U-Boot in der Ferne zu. Schließlich war sie nahe genug, um in dem anderen U-Boot , das lang und schmal war – die
Hunley
–, Ernestine Florucci und den Hasen erkennen zu können. Sie drehte wie wild an ihrer Kurbel. Endlich holte sie auf und befand sich Seite an Seite mit dem anderen Boot. Aus einem Bullauge blickte ein drittes Gesicht sie an – das war Lizzy, ihre seit langem verschollene «Zwillingsschwester». Lizzy als Elfjährige, also genau in dem Alter, in dem sie ihre Stimme verloren hatte. Sie trug ihr Captain-Hook-Kostüm, und durch das Bullauge erkannte Rhonda, dass der Kleiderbügelhaken unten aus ihrem Ärmel hervorlugte.
    Rhonda verfolgte das andere Boot durchs Meer, konnte aber das Tempo nicht mehr halten. Ihre Arme waren wie Gummi. Die Kerze in ihrem winzigen U-Boot zeigte durch ihr Flackern an, dass der Sauerstoff ausging. Doch sie wusste nicht mehr, was sie tun musste, um wieder aufzusteigen. Sie riss an allen Hebeln und betätigte alle Schalter, sank aber immer tiefer. Die Kerze ging aus, und durch die Bullaugen sah sie nur tiefste Finsternis.
     
    «Was meinst du, was der Traum bedeutet?», flüsterte Rhonda in den Hörer. Es war sieben Uhr morgens, und sie hatte sich im Bett auf die Seite gedreht und Warren auf seinem Handy angerufen.
    «Ich weiß es nicht. Aber ich finde, du solltest auf deine Träume achten. Denk darüber nach. Schreib den Traum auf. Zeichne ihn. Du bist eine Künstlerin. Zeichne ein Bild, auf dem man sieht, was passiert ist.»
    «Und wie soll uns das weiterhelfen?»
    «Vielleicht gelangst du auf diese Weise tiefer», sagte Warren.
    «Wohin?»
    «Tiefer in das Loch, in dem Alice das Kaninchen suchte.»

s?
    16.   Juni 1993
    Sie waren auf der Bretterbühne. Peter führte Rhonda und die O’Shea-Jungs durchs Kinderzimmerfenster nach draußen, brüllte dabei die Jungs an, sie sollten
Verdammt nochmal, lauter!
sprechen und bewarf sie mit Elfenstaub, der in Wirklichkeit Glitzerkonfetti war. Die Ferienkinder waren zu Peters großer Enttäuschung nicht da, und so gingen sie die Szenen im Kinderzimmer immer wieder durch, während sie auf das Erscheinen der verlorenen Jungs, Piraten und Indianer warteten, die zweifellos erst einmal mit einem Anpfiff rechnen mussten, weil sie beispielsweise eine Paddeltour mit ihrer Familie den Proben für
Peter Pan
vorgezogen hatten.
    Lizzy hockte in der Nähe auf einem Baumstumpf, übte ihren finsteren Piratenblick und malte sich mit Aggies Augenbrauenstift einen dünnen, gekräuselten Schnurrbart.
    Vor der Probe hatte Rhonda Lizzy in ihrem Zimmer gefunden, wo sie in ihrem Piratenkostüm kopfüber an der Reckstange gehangen hatte. Ihr Piratenhut hatte unten auf dem Boden gelegen. Seit dem Tag, an dem Lizzy ihre Freundin und Peter auf dem Friedhof beobachtet hatte, hatte sie kaum ein Wort mit Rhonda gesprochen.
    «Hau ab, Mädel, oder ich hol dir das Aug’ mit meinem Haken aus der Visage!», drohte Lizzy mit verstellter Stimme.
    «Bist du mir vielleicht böse?», fragte Rhonda.
    «Und warum sollte ich dir böse sein, Rhonda Wendy Darling?»
    «Na ja. Vielleicht wegen mir und Peter?»
    Lizzy griff mit ihrer freien Hand – an der anderen befand sich der Haken – nach der Reckstange, löste die Beine von der Stange und ließ sich zu Boden fallen. Mit einem lauten Rums kamen ihre übergroßen Stiefel auf dem Boden auf.
    «Ha, Pan», knirschte Lizzy mit zusammengebissenen Zähnen. «Eines Tages wird er kriegen, was ihm gebührt. Ich werd ihn besiegen. Das kannst du mir glauben, meine Kleine!» Sie bückte sich, hob ihren Hut vom Boden auf, drückte ihn sich sorgfältig auf den Kopf und stellte sich vor den Spiegel in der Schranktür. Sie setzte ihr höhnischstes Piratengrinsen auf.
    «Gefällt es dir?», fragte sie Rhonda, nun mit ihrer eigenen Stimme. «Ich habe geübt.»
    Rhonda nickte. «Es ist gut. Sehr piratenmäßig.»
    «Aber irgendwas fehlt noch», gab Lizzy zurück. «Ich glaube, ich brauch noch einen Schnurrbart.»
    Rhonda folgte Lizzy durch den Flur ins Elternschlafzimmer, wo diese in Aggies Kosmetiksachen auf der Frisierkommode kramte, bis sie einen Augenbrauenstift fand. Dann nahm sie sich noch einen

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