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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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Treppe und stolperte dort über einen Plüschbären. Hatte der Hase Ernie nicht ein weißes Plüschtier geschenkt? Einen Bären, oder? Nein, einen Hasen. Natürlich einen Hasen. Rhonda nahm das Tier in die Hand. Kleine runde Augen. Große braune Nase. Eindeutig ein Bär.
    Peter war jetzt ebenfalls fast am Fußende der Treppe angelangt. Er kam langsam, aber unaufhaltsam näher.
    «Warum hängt ein Vorhängeschloss vor dem Schuppen, Peter?»
    «Keine Ahnung.»
    «Was ist da drin?»
    «Ich weiß es nicht, Rhonda. Werkzeug, Särge – derselbe Mist wie immer.»
    Sie wich rückwärts zur Haustür zurück und machte sie auf. Dann rannte sie nach draußen, Peter dicht auf den Fersen. Sie kam zum Schuppen und hämmerte gegen die verschlossene Tür. «Hallo?», rief sie. «Kannst du mich hören?»
    «Was treibst du da eigentlich, Ronnie?», fragte Peter.
    «Schließ die Tür auf, Peter!»
    «Das geht nicht. Ich habe keinen Schlüssel.»
    Sie griff in ihre Hosentasche, zog den Schlüsselbund mit der Hasenpfote heraus und warf ihn auf Peter zu. Er landete mit einem dumpfen Schlag auf der Veranda. Peter ging zurück und hob ihn auf.
    «Wo hast du den her?», fragte er. Er wirkte schockiert, als hätte sie mit einer abgehackten Hand nach ihm geworfen.
    «Schließ die Schuppentür auf!», befahl sie mit betont fester Stimme.
    «Ich sagte dir doch, Ronnie, dass ich keinen Schlüssel besitze. Ich hab nie einen gehabt. Meine Mutter muss das Vorhängeschloss vor Jahren vorgelegt haben.» Er redete betont langsam und ruhig, wie man es mit Verwirrten tut. Im Laufschritt kam er die Verandatreppe herunter auf sie zu. Sie sah die alte Schaufel, die an der Garagenwand lehnte, und hob sie hoch, wie damals Aggie sie gegen Daniel erhoben hatte.
    «Verdammt, Ronnie! Leg die Schaufel weg.» Er hob die Hände, als ob er sich ergeben würde, kam aber noch einen Schritt auf sie zu.
    «Wenn du noch näher kommst, schlage ich dir deinen Kopf ein», warnte sie ihn. «Das meine ich ernst, Peter.» Ihre Hände bebten. Sie ging langsam rückwärts auf den Wagen zu. Peter folgte ihr, blieb aber außer Reichweite der Schaufel.
    «Du kannst hier nicht so wegfahren», sagte er.
    «O doch», entgegnete sie und warf die Schaufel nach ihm. Er duckte sich, und die Schaufel verfehlte ihn nur um einen Fingerbreit. Sie stieg in ihren Wagen und verriegelte die Türen. Er rüttelte am Türgriff und hämmerte gegen das Fenster, während sie mit dem Zündschlüssel herumfummelte.
    «Warte!», schrie er. Sie legte den Rückwärtsgang ein, und Peter verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Rhonda bog von der Zufahrt auf die Landstraße ein. Im Rückspiegel sah sie, dass Peter ihr nachrannte. Sie gab Gas.
    «Scheiße!», schrie sie und hämmerte auf dem Lenkrad herum. «Scheiße verdammt, denk nach!» Sie könnte zu ihren Eltern fahren, aber was würde das bringen? Die Polizei. Sie musste die Polizei anrufen. Sie griff nach ihrem Handy, wählte aber die «Findet Ernie»-Hotline statt des Notrufs. Pat nahm ab.
    «Hier ist die ‹Findet Ernie›-Hotline. Haben Sie einen Hinweis für uns?»
    «Pat, hier ist Rhonda. Ich muss mit Warren sprechen.»
    «Der ist nicht da.»
    «Wo ist er?» Rhonda klang vollkommen aufgelöst.
    «Ich weiß nicht, Rhonda. Ich hab ihn den ganzen Tag nicht gesehen. Und gestern Abend auch nicht. Vielleicht ist er jetzt zu Hause bei Jim.»
    Rhonda bog nach links ab und fuhr in Richtung Stadt. Das Haus von Pat und Jim lag auf dem Weg zum Mini Mart. Sie würde erst dort vorbeifahren und Warren suchen.
    «Pat, hör zu. Ich glaube, dass Peter Ernie im Haus seiner Mutter festhält. Draußen an der Lake Street. Ich glaube, sie ist dort im Schuppen.»
    «
Was?
Bist du dir sicher?»
    «Ich hab Ernies Schuhe gefunden, Pat. Ich leg jetzt auf und rufe Crowley an. Peter weiß, dass ich Bescheid weiß. Vielleicht bringt er sie weg. Oder Schlimmeres.»
     
    Alles ist kaputtgegangen. Das Hasenkostüm liegt nicht mehr in seinem Geheimversteck ganz hinten im Schrank in einer Schachtel, in die keiner jemals schaut, sondern ist ausgepackt worden. Ein Kunstpelz. Riesige Ohren, rosa an den Innenseiten. Ach, was für Geheimnisse haben diese Ohren gehört! Die berauschenden Geheimnisse kleiner Mädchen, leise mit zuckersüßem Atem geflüstert.
    Noch ein letztes Mal wird jemand das Hasenkostüm tragen. Peter Hase wird ein letztes Mal zum Leben erwachen.

s?
    10.   August 1993
    Sie hatten das Stück an den vergangenen beiden Abenden aufgeführt, und heute war die große

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