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Die Insel der Verlorenen - Roman

Die Insel der Verlorenen - Roman

Titel: Die Insel der Verlorenen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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ins Wasser, um ihm näher zu sein, ihn zurückzuhalten, ihn zu retten.
    »Glaubst du, dass sie das Schiff erreichen werden?«, fragte Alicia ihre Freundin Tirsa. Die klatschnassen Unterröcke schlangen sich um ihre Beine und sie hielten sich gegenseitig an den Armen fest, um gegen Brandung und Wind zu bestehen. »Sag, dass ja, bitte, sag, dass ja.«
    »Ich sehe kein Schiff.«
    »Aber Rosalia hat es gesehen. Und Ramón war sicher … «
    »Da ist kein Schiff, Alicia. Komm, wir rufen, dass sie zurückkommen sollen.«
    »Und wenn doch, hinter dem Nebel, und wenn sie es erreichen, Tirsa … «
    »Da ist kein Schiff, und das weißt du genau. Hilf mir zu rufen.«
    Sie riefen gemeinsam, sie riefen alle, auch die Kinder riefen, und das Rauschen des Meeres verschluckte ihre Stimmen.
    Der Schleppkahn näherte sich dem Riff und schaukelte bedrohlich. Die Wellen hoben ihn auf ihre Kämme empor, bis ganz nach oben, dann fiel er wieder herunter, und die Frauen sahen ihn nicht mehr, bis er erneut erschien, im grünen Nebel schwebte oder auf den Wassermassen ritt. Eine riesige schwarze Welle warf ihn zurück, dem Strand entgegen.
    »Sie kommen wieder! Sie haben uns gehört und kommen wieder!«
    »Ja, sie kommen in unsere Richtung.«
    Die Frauen schrien, bis ihnen die Kehlen brannten und die Stimmen zähflüssig wurden. Sie redeten durcheinander, fluchten, beteten, widersprachen sich. Eine weitere Welle ergriff den Kahn und zog ihn dem Fels entgegen.
    Alicia schlug die Hände vors Gesicht:
    »Sag mir, ob sie das Riff passiert haben«, bat sie.
    »Ich kann sie nicht sehen. Doch, ich sehe sie! Da sind sie … «
    »Siehst du sie?«
    »Ja, da hinten.«
    »Dem Himmel sei Dank … Geht es ihnen gut?«
    »Ich glaube schon. Aber schau nur, da … der Fleck, der da aus dem Wasser kommt … «
    »Ein schwarzer Fleck … «
    »Das ist ein Teufelsrochen. Sie werden von einem Teufelsrochen angegriffen!«
    »Halt den Mund, Rosalía, das sind die Felsen. Tirsa, siehst du sie?«
    »Ich sehe nur Schatten.«
    »Vaterunser,derdubistimHimmel,geheiligtwerdedein … «
    »Hör auf zu beten, Alta, und kümmere dich um die Kinder.«
    Die sieben Kinder hatten den Schleppkahn schon vergessen und planschten seelenruhig im Wasser.
    »Ich sage euch, das ist ein Teufelsrochen. Ein Teufelsrochen hat sie umgeworfen!«
    »Mach die Augen auf, Alicia, hilf mir hingucken.«
    »Ich kann sie nicht sehen. Sie sind untergegangen! Kann jemand sie sehen?«
    »Da sind sie, da sind sie, ich sehe meinen Papa!«
    »Seid still, Kinder!«
    »Mein Papa kämpft gegen einen Teufelsrochen.«
    »Ihr sollt still sein. Habt ihr keine Ohren? Altagracia, hörst du nicht, du sollst die Kinder aus dem Wasser holen. Tirsa, siehst du sie?«
    »Nein, Alicia, ich sehe sie nicht.«
    »Altagracia, siehst du sie?«
    »Nein, Señora.«
    »Rosalía, irgendjemand … es kann doch nicht sein, dass niemand sie sehen kann … «
    »Heiliger Jesus! Das Meer hat sie verschluckt.«
    »Halt du auch den Mund! Komm, Tirsa, komm mit.« Alicia ging ein Stück weiter ins Wasser hinein. Ramoncito hängte sich an ihren Hals.
    »Geh, Kind, raus aus dem Wasser!«
    »Nein.«
    »Geh, Kind, du wirst noch ertrinken und mich erwürgst du. Nimmt mir mal jemand dieses Kind ab!«
    Altagracia riss Ramoncito von ihr los, dass er brüllte, und zerrte ihn aus dem Wasser. Die anderen kehrten auch ans Ufer zurück. Nur Alicia und Tirsa blieben übrig und gingen immer tiefer ins Meer hinein, bis sie keinen Boden mehr unter den Füßen hatten. Sie hielten sich paddelnd an der Oberfläche und schluckten jedes Mal Wasser, wenn die Wellen über ihren Köpfen zusammenschlugen.
    »Tirsa, siehst du sie?«
    »Nein, schon eine ganze Weile nicht mehr. Ich sehe die Flossen von Haifischen.«
    »Haie? Sind sie von den Haien gefressen worden?«
    »Warte. Wir sollten sie lieber vom Ufer aus suchen, vielleicht sind sie an einer anderen Stelle gelandet.«
    Sie verließen das Wasser. Die Kinder liefen ihnen, bis auf die Knochen durchnässt, entgegen und klapperten vor Kälte mit den Zähnen.
    »Alta, bleib bei den Kindern. Zieh sie aus, damit sie trocken werden. Wir anderen gehen Ramón und Cardona suchen. Rosalía und Francisca, geht dort herum. Tirsa und ich, wir gehen in diese Richtung.«
    Sie liefen den ganzen restlichen Vormittag durch den Korallenbruch den Strand ab. Bisweilen sah eine etwas, dann gingen sie ins Wasser, riefen laut und kamen wieder heraus, um weiter das Ufer abzugehen. Am Nachmittag bluteten ihnen die Füße von den

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