Die Insel des Mondes
das?«
Verblüfft schluckte Paula ein paarmal, dann erzählte sie der Königin davon, dass sie nur wegen der Parfümrezepte ihrer Großmutter hier war und dieses Eau de Toilette eine Abwandlung von echtem Kölnisch Wasser war, die sich ihre Großmutter ausgedacht hatte. Sie versprach der Königin nachher etwas davon zukommen zu lassen, was huldvoll angenommen wurde.
Das schien Paula der richtige Moment, um das Erbe ihrer Großmutter wieder ins Spiel zu bringen, deshalb raffte sie ihren Mut zusammen und brachte die Rede auf das Grundstück von Mathilde.
Ranavalona starrte sie einen Moment verblüfft an, ein Schleier fiel über ihr Gesicht, und Paula wurde sofort klar, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.
»Das Land unserer Vorfahren gehört niemandem, nur uns Madagassen. Es ist verboten, das heilige Land unserer Ahnen an Ausländer zu verkaufen. Das ist Fady!«
Enttäuschung verdrängte all die angenehmen Gefühle, die Paula eben noch gehabt hatte. Aber dann summte wieder die Stimme des Kelimalaza durch ihren Kopf. »Mathilde, Mathilde …«
Und sie wusste, sie durfte jetzt nicht aufgeben, egal um welchen Preis. »Aber es ist eine französische Urkunde, die nach französischem Recht …«
»Die Franzosen regieren aber dieses Land nicht.« Die Königin stampfte ungehalten mit dem Fuß auf, und Paula wurde nun doch mulmig.
»Und solange ich lebe, wird auch niemand anders hier regieren als ich.«
»Nein, natürlich nicht«, stammelte Paula. »Nur eine Frage noch, Euer Majestät, verstehe ich das richtig, Laborde war nicht der rechtmäßige Eigentümer des Landes, das er meiner Großmutter verkauft hat?«
»Laborde.« Die Königin murmelte etwas Madagassisches, dann ging sie wieder zum Englischen über. »Laborde war in der Tat ein Günstling von Ranavalona I. und dann auch der von Radama II. Aber alle Vereinbarungen mit ihm wurden von uns für null und nichtig erklärt. Dieser Mann war ein gewinnsüchtiger Parasit am Busen der Merina.«
Die Königin wandte sich zum Gehen. Paula, die sich vorkam, als wäre sie im Sturzflug vom Himmel auf die Erde gerauscht, hatte Tränen in den Augen und war kurz davor, Ranavalona am Rock festzuhalten.
»Ich weiß nicht einmal, wo ich das Stück Land suchen soll, das meine Großmutter bebaut hat. Und nur wenn ich das finde, habe ich eine Chance, auch ihr Grab zu entdecken. Aber wie soll ich das schaffen, ohne Ihre Hilfe?«
Die Königin drehte sich noch einmal zu ihr um und musterte Paula durchdringend. Schließlich hob sie ihr Kinn wie zu einem winzigen Nicken.
»Sie werden mir das Parfüm Ihrer Großmutter schicken, und ich werde veranlassen, dass sich jemand darum kümmert. Außerdem erlaube ich, dass Sie dorthin reisen und das Land weiterbebauen, aber zehn Prozent des Ertrags sind als Pacht an mich abzuführen. Der Premierminister wird Ihnen ein Schreiben für den Dorfältesten, Sakàizam-bohitra, mitgeben. Und jetzt muss ich zu meiner Morgenandacht.«
»Natürlich.« Paula verneigte sich und bemerkte die Soldaten im Hintergrund erst, als sie der Königin folgten.
Noria gesellte sich wieder zu ihr. »Sie erstaunen mich. Sind alle europäischen Frauen so mutig wie Sie?«
Paula hätte gern gelacht, aber sie war erschöpft und sehnte sich nach einer Hühnersuppe mit Reis und einem Tee. Sie war nicht mutig. Was sie nach Madagaskar getrieben hatte, war Verzweiflung, nichts anderes. Sie hielt sich für feige, denn sie scheute Auseinandersetzungen und ging für gewöhnlich den Weg des geringsten Widerstandes, nur deshalb war all das geschehen, was sie schließlich hierher getrieben hatte.
»Ich brauche etwas zu essen«, sagte sie statt einer Antwort auf Norias Frage. Noria führte sie zum nächsten Küchenhaus, wo Paula gierig eine Tasse Tee trank und sich dann über eine Platte mit den köstlichen Kleinigkeiten, den Tsakistaky, hermachte, als hätte sie schon Wochen nichts gegessen. Noria leistete ihr schweigend Gesellschaft.
Paula versuchte während des Essens Antworten auf all die Fragen zu finden, die durch ihren Kopf flatterten wie kopflose Tauben. Was führten ihre Reisegefährten im Schilde, und wie sollte sie zu dem Grundstück ihrer Großmutter kommen? Und wollte sie wirklich als Pächterin ihr Dasein fristen? Sie brauchte neuen Proviant und Träger und vor allem Noria, aber womit sollte sie das bezahlen? Und was, wenn ihr die anderen Noria wegschnappten? Es gab fast niemanden auf der Insel, der Deutsch sprechen konnte. Je nachdem, in welchem Teil von Madagaskar
Weitere Kostenlose Bücher