Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
Boden des Ölbehälters entfernt blieb; und wenn die übermäßige Bewegung ihres Insassen sie zu tief hinabdrücke (welches Insassen, fragte Roberto; du wirst gleich sehen, antwortete der Pater), dann sollten die Federn sie ohne Erschütterungen wieder nach oben drücken. Auf der Innenseite der flachen Schüssel müsse nun ein Sitz mit weit zurückgelehnter Rückenlehne installiert werden, der einem Menschen erlauben solle, fast im Liegen nach oben zu sehen, die Füße auf eine Eisenplatte gestellt, die als Gegengewicht diene.
Nachdem er die Schale aufs Deck gestellt und mit ein paar Keilen stabilisiert hatte, setzte Pater Caspar sich auf den Sitz und erklärte Roberto, wie er ihm ein Gestell mit Gurten und Bändern aus Segeltuch und Leder auf die Schultern setzen und um die Hüften festbinden sollte, an dem dann eine Art Helm in Form einer Sturmhaube befestigt werden musste. Diese Sturmhaube hatte vorne ein Loch für ein Auge, während auf der Höhe des Nasenbeins eine Stange mit einem Ring am Ende vorsprang. Durch den Ring wurde das Fernrohr geschoben, von dem ein Metallstab herabhing, der in einem Haken endete. Die Prothese der Augen konnte frei bewegt werden, bis man den gesuchten Himmelskörper erfasste; hatte man ihn aber einmal im Zentrum der Linse, so konnte man den Metallstab an den Brustgurten festhaken, und von diesem Moment an war eine stabile, gleichbleibend gute Sicht garantiert, ungestört von eventuellen Bewegungen jenes Zyklopen.
»Perfecto!«, jubelte der Jesuit. Wenn die Schale jetzt in die Windstille des Öls gesetzt werde, könne man auch die flüchtigsten Himmelskörper fixieren, ohne dass irgendeine Erregung des aufgewühlten Meeres das Beobachterauge von dem beobachteten Körper abzubringen vermöchte! »Und das hat der Signor Galilei beschrieben, und ich habs gebaut!«
»Sehr schön«, sagte Roberto. »Aber wer setzt das Ganze jetzt in die Ölwanne?«
»Ich binde mich los und steig auß, dann thun wir die Schüssel ins Öl, und ich steig wieder ein.«
»Das wird nicht leicht sein.«
»Viel leichter, als wann ich drinnen sitze.«
Gemeinsam schafften sie es, die Schale mit dem Sitz hochzuheben und ins Öl zu setzen. Dann versuchte Pater Caspar, mit Rüstung und Helm und dem vors Auge montierten Fernrohr in die Schale zu steigen, wobei ihn Roberto mit der einen Hand am Arm hielt und mit der anderen am Gesäß stützte. Der Versuch wurde mehrere Male wiederholt, mit wenig Erfolg.
Nicht dass die Metallkonstruktion, die das Ölbecken trug, nicht auch einen Insassen hätte tragen können, aber sie bot ihm keinen vernünftigen Standpunkt. Und wenn Pater Caspar versuchte, was er wiederholt tat, nur einen Fuß auf den Rand des Beckens zu setzen und den anderen sofort in die schwimmende Schale, neigte sich diese durch den ungestümen Einstiegsversuch zur entgegengesetzten Seite des Beckens, so dass die Beine des Paters sich wie ein Zirkel spreizten und er Alarmschreie ausstieß, bis Roberto ihn um die Hüfte fasste und ans sichere Ufer zurückzog, sozusagen ans feste Land der Daphne – nicht ohne Galilei zur Hölle zu wünschen und seine Bluthunde von Verfolgern zu loben. Da aber griff Pater Caspar ein und versicherte, während er in den Armen seines Retters lag, dass jene Verfolger keine Bluthunde gewesen seien, sondern hochwürdige Kirchenmänner, denen es nur um die Erhaltung der Wahrheit gegangen sei und die sich zu Galilei durchaus väterlich und barmherzig verhalten hätten. Alsdann, noch immer gegürtet, behelmt und im Liegen, den Blick zum Himmel gerichtet, das Fernrohr lotrecht auf dem Gesicht wie Pulcinella seine Vogelnase, erinnerte er Roberto daran, dass Galilei sich wenigstens mit dieser Erfindung nicht geirrt habe und dass man es eben nur immer wieder erneut versuchen müsse. »Und darumb, mein lieber Robertus«, schloss er, »hast du mich vielleicht vergessen und meinst, ich sey eine Schildkrotten, die man fangt, indem man sie auff den Rücken legt mit dem Bauch in die Lufft? Los, halt mich abermals, hilff mir auff diesen Rand hinauff, ja, so ists recht, dem Menschen gebührt eine auffrechte Haltung.«
Bei all diesen unglücklichen Operationen war es nun nicht etwa so, dass das Öl glatt wie Öl liegengeblieben wäre, und daher waren die beiden Experimentatoren nach einer Weile nicht nur glitschig verklebt, sondern geradezu öltriefend, umnicht zu sagen oleabundus – wenn der Kontext dem Chronisten diese Wortschöpfung erlaubt, ohne dass er als ihre Quelle angeklagt werden
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