Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
ich mein Leid anvertrauen, wo Trost suchen, wenn nicht in dem Gehör, das Ihr mir schenkt, oder doch wenigstens in meinem unerhört gebliebenen Wort? Wenn Liebe eine Medizin ist, die jeden Schmerz mit einem noch größeren Schmerz kuriert, kann ich sie dann nicht als eine Pein ansehen, die durch ihr Übermaß jede andre Pein ertötet, so dass sie zum Pharmakon aller Leiden wird außer dem eigenen? Wann jemals Schönheit ich sah und begehrte, war's stets nur ein Traum von der Euren, warum also sollt' ich mich grämen, dass andre Schönheit mir gleichfalls nur Traum? Schlimmer wär's, wenn jene andre ich nähme und mit ihr mich begnügte, um nicht noch länger am Bildnis der Euren zu leiden: denn eines recht dürftigen Remediums hätte ich mich erfreut, und das Übel wüchse noch durch die Gewissenspein ob meiner Untreue. Lieber halte ich mich an Euer Bildnis, zumal ich itzo von neuem die Spur eines Feindes gesehen, dessen Züge ich nicht kenne und wohl niemals möcht kennenlernen. Um dieses verhasste Phantom zu ignorieren, möge mir Euer geliebtes Phantasma zu Hilfe kommen. Auf dass dann die Liebe es wenigstens sei, die aus mir einen fühllosen Scherben macht, eine Mandragora, einen steinernen Quell, der alle Ängste fortweint ...
Doch sosehr er sich auch quälen mag, Roberto wird nicht zum steinernen Quell, und sofort vergleicht er wieder die Angst, die er fühlt, mit jener anderen Angst, die er in Casale verspürt hatte und deren Ursachen – wie wir gleich sehen werden – sehr viel schmerzlicher waren.
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PAVANE LACHRYME
D ie Geschichte ist ebenso klar wie dunkel. Während kleine Scharmützel einander folgten – deren Funktion die gleiche war, die beim Schachspiel nicht der Zug, sondern der Blick haben kann, der die Andeutung eines Zuges aufseiten des Gegners kommentiert, um ihn von einer siegbringenden Bewegung abzuhalten –, beschloss Toiras, einen größeren Ausfall zu wagen. Es war klar, dass die Partie zwischen Spionen und Gegenspionen ausgetragen wurde: In Gasale gingen Gerüchte um, die Entsatzarmee sei im Anmarsch unter der Führung des Königs persönlich, während Seigneur de Montmorency von Asti her anrücke und die Marschälle Créqui und de La Force von Ivrea. Falsch, erfuhr Roberto aus der wütenden Reaktion von Toiras, als ein Kurier aus dem Norden eintraf: Toiras hatte Richelieu mitgeteilt, dass seine Lebensmittel zur Neige gingen, und nun antwortete ihm der Kardinal, Monsieur Agencourt habe seinerzeit die Magazine inspiziert und entschieden, dass Casale leicht den ganzen Sommer lang durchhalten könne. Die Armee werde sich erst im August auf den Weg machen, um unterwegs von den bis dahin gereiften Ernten profitieren zu können.
Roberto wunderte sich, dass Toiras einigen Korsen Anweisung gab, sich als angebliche Deserteure zu Spinola zu begeben und ihm zu sagen, dass die Armee erst im September erwartet werde. Aber dann hörte er ihn die Maßnahme seinem Stab erläutern: »Wenn Spinola glaubt, dass er noch Zeit hat, wird er sich Zeit nehmen mit dem Bau seiner Minengänge, und wir haben Zeit zum Bau unserer Gegengänge. Glaubt er dagegen, dass die Entsatzarmee schon bald kommt, was bliebe ihm dann zu tun? Sicher nicht der Armee entgegenzugehen, denn er weiß, dass seine Kräfte nicht reichen; auch nicht auf sie zu warten, da er dann seinerseitsbelagert würde; auch nicht nach Mailand zurückzukehren, um eine Verteidigung der Stadt vorzubereiten, da ihm die Ehre einen Rückzug verbietet. Es würde ihm also gar nichts anderes übrigbleiben, als Casale sofort zu erobern. Da er das aber nicht mit einem Frontalangriff kann, müsste er ein Vermögen ausgeben, um Verrat zu schüren. Und von da an würde jeder Freund für uns zu einem Feind. Also schicken wir falsche Deserteure zu Spinola, um ihn zu überzeugen, dass die Entsatzarmee sich verspätet, lassen wir ihn Minengänge bauen, wo sie uns nicht allzu sehr stören, zerstören wir diejenigen, die uns wirklich bedrohen, und lassen wir ihn sich in diesem Spiel zermürben. Signor Pozzo, Ihr kennt die Gegend: Wo können wir ihn in Ruhe lassen, und wo müssen wir ihn um jeden Preis blockieren?«
Der alte Pozzo erklärte ohne Blick auf die Karten (die ihm zu verschnörkelt erschienen, um wahr zu sein), während er mit der Hand aus dem Fenster wies, dass der Boden an bestimmten Stellen moorig sei, weil vom Wasser des Flusses durchtränkt, und da könne Spinola graben, so viel er wolle, seine Leute würden bloß versinken und Schnecken
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