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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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gelben», erwiderte Don sarkastisch.
    Anne schnitt sich vorsichtig ein Stück Schinken ab, das nicht größer als ein Reiskorn war, und sagte, ohne sich auch nur die Spur aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen: «Ich bin fest überzeugt, daß es Onkel Cleves Sweater ist. Ich sehe es an der Art, wie die Manschetten umgerollt sind.»
    Joan machte sich ein riesengroßes Schinkenbrot zurecht, was ich im allgemeinen nicht dulde, doch diesmal durch freundliches Lächeln und Kopfnicken noch unterstützte. In freundlichstem Unterhaltungston sagte sie: «Lügnerin! Ich hab gesehen, wie du dir den Sweater gestern aus Dons Schubfach gestohlen hast!»
    «Alte Klatschliese!» rief Anne wütend. «Widerliche falsche Klatschliese! Kannst weiter nichts als einem nachschnüffeln und es weiterklatschen und dich einschmeicheln. Du hängst mir zum Halse hinaus…»
    «Das genügt, Anne», sagte ich.
    «Und wer hat mein marineblaues Strandhemd genommen?» fragte Don. «Es ist das einzige, das wirklich groß genug ist und mir paßt.»
    «Ein Strandhemd? Marineblau?» fragte Joan mit Unschuldsmiene.
    «Ich besitze bloß ein paar Sachen» (12 Schubfächer, zwei Schränke und drei Regale voll, und dabei hatte er noch nicht einmal alles ausgepackt), sagte Don mit Jammermiene, «und die paar möchte ich gern selbst benutzen.»
    Mit beleidigtem Gesicht sprang Anne auf und sagte: «Ich hatte wirklich gedacht, es ist Onkel Cleves Sweater, aber wenn du dich so furchtbar anstellst, kann ich ihn ja auch sofort ausziehen!» Und ich rief: «Setz dich hin und iß deinen Schinken auf!»
    Joan fragte: «Hat dein marineblaues Strandhemd vielleicht lange Ärmel und einen weißen Ölfarbfleck auf der Schulter?»
    «Ja», sagte Don.
    «Das hab ich noch nie gesehn», sagte Joan.
    «Lügner, Lügner», jubilierte Anne.
    «Nehmt noch etwas Schinken zu», sagte ich aufgeregt.

    Und dann mußten die Mädchen sich für die Schule rüsten. Bei Joan war das eine einfache Sache. Sie fragte mich nur zweiundvierzigmal, ob ich auch bestimmt drei große Brote in ihren Frühstückskorb gesteckt hätte. Ich sagte ja, und sie fragte: auch einen Apfel, und ich sagte ja, und sie fragte: und Plätzchen, und ich nickte, und damit war sie zufrieden.
    Annes Vorbereitungen begannen damit, daß sie all ihre Kleider musterte und sie samt und sonders scheußlich fand, dann wählte sie die am wenigsten scheußlichen Sachen und bügelte sie, sogar Kleidungsstücke, die so glatt wie ein Stück Papier waren. Ich durfte sie ihr nicht aufbügeln – ich sei zu unsorgfältig, und Joan auch nicht, die sei zu dumm. Sie war gerade beim Bügeln der dritten Bluse – die erste hatte sie als ‹widerlich schmutzig› ausgeschieden, weil an der Stelle, die in den Rockbund gesteckt wurde, ein winziger Fleck war, und die zweite als ‹vollkommen verschwitzt›, weil sie beim Einpacken unter dem Arm ein Fältchen bekommen hatte. «Hach, wie ich es hasse, Sachen zu erben. Hach, wie ich es hasse, auf dem Lande zu leben. Und weshalb müssen wir eigentlich alle fünf Minuten die Schule wechseln?» (Dabei war es das erste Mal!) Schließlich stiegen ihr die Tränen in die Augen, und ich ließ sie lieber allein und ging in die Küche, um das Frühstück zurechtzumachen. Sie rief mich mit aufgeregter Stimme. Ich war darauf gefaßt, weiteren ‹Schmutz› zu bekämpfen» aber sie stand mit strahlendem, begeistertem Gesicht am Bügelbrett: «Mommy, sieh bloß, ist es nicht süß?» fragte sie und wies auf einen richtigen Rehbock, der auf der Veranda stand und ins Fenster hereinschaute. «Denk bloß an, ein richtiges lebendiges Reh auf unsrer Veranda! Hach, wie ich es liebe, auf dem Lande zu leben! Es ist sooo romantisch!»

    Die Kinder kamen also in die Schule: Joan in die Gemeindeschule, ein nettes Haus mit braunem Schindeldach, das nur drei Meilen von uns entfernt lag, und Anne in die Höhere Schule, ein modernes Backsteingebäude, das etwa sieben Meilen entfernt war. Es gab zwei Möglichkeiten, den Schul-Autobus zu erreichen. Wenn Ebbe war, konnten die Mädchen zu Sanders’ hinübergehen (das waren die Nachbarn, die eine Zufahrtsstraße hatten), und dann deren Straße benützen. Wenn Flut war, mußten sie den Fußpfad entlanggehen und unten im Geschäft bei der Landestelle in den Bus steigen. Joan ging gerne in ihre Schule und schien auch recht gut voranzukommen; nur gab’s hin und wieder Geschichten wie eine zerbrochene Fensterscheibe in der Turnhalle, versteckte Tintenfaßdeckel, oder sie hatte –

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