Die Insel und ich
Sturm, den dichtesten Nebel, den heißesten Tag, den dunkelsten Winter, die nässeste Weihnacht und obendrein eine völlige Mondfinsternis, eine teilweise Sonnenfinsternis und eine fliegende Untertasse erlebt.
Bei diesen Wetterstürzen lernten wir allmählich, daß wir bei den Elementen nicht auf eine verständnisvolle Haltung rechnen durften. Da war zum Beispiel – nach Wochen qualvollen Wartens, in denen kein Familienmitglied das Telefon benutzen durfte, weil Anne ‹seinen› Anruf ersehnte – die Sache mit der Flut am Tage ihres ersten Balles. Sie hatte ein wunderschönes blaßblaues Tüllkleid, das ihr eine Freundin von Tante Alison geliehen hatte, und ‹er›, Roger, hatte ihr eine Orchidee als Ansteckblume versprochen, denn er arbeitete nach Schulschluß bei Bealls, dem drittgrößten Orchideenzüchter der Vereinigten Staaten. Anne war noch unschlüssig, ob Don und ich verleugnet werden könnten und sie so tun sollte, als ob sie mit Joan allein in unserm Haus wohnte, oder ob Don im Smoking und ich im Abendkleid den jungen Mann begrüßen dürften, oder ob wir uns einfach irgendwo im Hintergrund herumdrücken könnten, um von Zeit zu Zeit an den Strand zu laufen und neues Holz für den Kamin zu holen.
Joan, die immer realistische, entschied schließlich: «Ich weiß gar nicht, auf was für blöde Ideen du kommst, Anne. Weshalb sollen wir uns denn für Roger feinmachen? Wir gehen doch nicht mit ihm aus?»
Dann ging Anne nach oben, um sich schön zu machen, und ihre letzte Mahnung an uns war die flehentliche Bitte: «Und sagt mir ja nicht etwa, daß ich hübsch aussehe, wenn ‹er› schon da ist!»
«Tun wir sowieso nicht, weil du doch nicht hübsch aussehen kannst», erwiderte Joan.
«Halt den Mund», rief Anne zurück.
«Eingebildete Ziege», schrie Joan.
«Mein Gott, kann denn nie Frieden sein?» stöhnte Don. Also stellte ich das Radio an.
Anne kam wieder nach unten und sah bildhübsch aus.
Das blasse Blau paßte wunderbar zu ihren türkisblauen Augen und dem rötlichen Haar, doch wir blieben mucksmäuschenstill und sahen nur zu, wie sie Roger die Orchidee entriß. Roger sah für einen so ersehnten Helden reichlich schmal und schmächtig aus. Dann gingen sie, und Joan holte ihre Schularbeiten hervor und ich das Bügelbrett. Plötzlich waren sie beide wieder da, Anne zeterte, und Roger sah unglücklich aus. «Die Flut!» jammerte Anne. «Roger hat sich schon auf dem Herweg die Schuhe vollkommen aufgeweicht. Kann man denn nichts dagegen tun?»
«Weshalb geht ihr denn nicht den Pfad?» fragte Joan.
«Sei still!» schalt Anne. Aus irgendeinem nur Backfischen begreiflichen Grund genierte sie sich, den Pfad zu gehen.
Schließlich zog sie alte Schuhe an und trug ihre Tanzschuhe im Beutel, während Roger sich Dons Schuhe lieh. So wateten sie durch die Flut. Obwohl Anne sich wunderbar auf diesem ersten Schulball amüsierte, sagte sie doch, sie fände es scheußlich, auf einer Insel zu leben.
Dann kam der Vorabend von Allerheiligen, Hallowe’en. Anne und Joan waren zu einem Fest im Falkennest eingeladen, einer großartigen Villa, die einmal von einem Millionär aus Chicago errichtet worden sein soll. Der Kaminplatz soll so riesig sein, daß die acht Fuß langen Holzscheite mit einem Kanthaken herangeschafft werden müssen. Das fünfundzwanzig Meter lange Wohnzimmer hat in halber Höhe an allen Wänden eine Empore, die mit echten Leoparden-, Löwen-, Tiger- und Zebrafellen geschmückt ist. In den Badezimmern gab es Süßwasser und Seewasser, und in der Halle stand ein Leuchter, aus einem Indianerkanoe gemacht und ringsherum mit elektrischen Birnen besäumt, während in der Mitte ein versteinerter Indianer sitzt und rudert! Die ganze Herrlichkeit war von uns aus leicht zu Fuß zu erreichen, gleich hinter dem nächsten Hügel.
«Ihr habt’s aber gut», sagte ich zu Joan und Anne. «Das Falkennest würde ich auch gerne mal von innen sehen. Und im Keller soll ja eine Garage für dreißig Autos sein?»
«Aber ich wünschte, wir brauchten nicht zu laufen», sagte Anne. «Ob wir wohl jemals einen Cadillac bekommen?»
Joan rief: «An Hallowe’en muß doch jeder laufen, Kamel! Weißt du nicht mehr, wie wir im vorigen Jahr zweiundzwanzig Häuserblocks hinunterliefen?»
«Ach, wenn wir doch, wieder in der Stadt wären», seufzte Anne. «Ach, wenn wir doch noch bei Margar wohnten!»
Ich sagte: «Da seht den herrlichen Mond! Gerade richtig für Hallowe’en, Kinder!»
Anne seufzte: «Mondschein auf dem
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