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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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eine nochmals und erzählte, sie habe gesehen, wie ein paar Muscheln spritzten, und ob wir ihnen wohl drei verkaufen würden, wenn sie sie selbst ausgraben dürften. Ich erwiderte, daß wir sie ihnen gerne schenkten, und gab ihr Eimer und Schaufel. Ein paar Stunden drauf erschien sie wieder mit ihrer Freundin, beide rot und erhitzt und mit nassen Rocksäumen, und zeigte uns voller Stolz die acht Muscheln, die sie erwischt hatten.
    Am folgenden Tage erzählte ich einem Herrn, der am andern Ende der Insel lebt, von den komischen beiden alten Leutchen. Er sagte: «Auf meinem Strand soll weiß Gott kein Fremder nach Muscheln graben! Ich habe das Grundstück gekauft und bezahle Steuern dafür und habe eine Flinte, mit der ich es verteidige. Letzten Sonntag hatten sie nebenan eine Art Gemeindeausflug, und dauernd kamen Kinder auf meinen Strand, und da ging ich weiß Gott ins Haus hinein, holte meine Flinte und sagte: ‹Das ist mein Grundstück, und ich schieße auf jeden, der es widerrechtlich betritt!› Und Sie können mir glauben, die Kinder machten sich schnell aus dem Staube.»
    Ich sagte: «Aber mir tun die Menschen so leid, die in der Stadt wohnen und keinen Strand und keine Muscheln haben.»
    «Leidtun? Unsinn!» rief er. «Wenn sie so versessen auf Strandleben sind, brauchen sie sich nur hier anzukaufen. Ich habe mein Land ja auch gekauft und bezahl meine Steuern dafür.»
    Gott sei Dank haben nur wenige von uns Inselbewohnern einen so elend engherzigen Standpunkt. Der Herr gehört übrigens zu einer kleinen Gruppe von Leuten, die einen vergeblichen Versuch unternahmen, die Insel Vashon für reiche Leute zu reservieren – gewissermaßen als ‹Paradies der Reichen› – was ein Widerspruch in sich ist und einer Nichtbesitzenden wie mir immer sehr komisch vorkam. Als dann die Fährbootgesellschaft alle halbe Stunde den Preis für die Überfahrt erhöhte, sagte jemand aus dieser Gruppe: «Hoffentlich wird die Überfahrt immer teurer und teurer, damit das Lumpengesindel nicht mehr auf die Insel kommen kann.» Mit Lumpengesindel meinte er wohl uns und alle andern, die Hypotheken, aber keinen Cadillac haben.
    Außer den Buttermuscheln finden wir gelegentlich auf unserm Strand Seegurken, Tintenfische, Krabben, Herzmuscheln, Miesmuscheln und Geoducks. Manchmal sind auch Scallops und Garnelen da, aber die leben so weit draußen, daß es einfacher ist, sie beim Händler von dessen Boot für einen Dollar den Eimer zu kaufen. Geoducks findet man nur bei ganz niedriger Ebbe, und es erfordert sehr viel Geschicklichkeit, Ausdauer und Schnelligkeit, um eine zu erwischen. Sie sind geschützt, man darf nicht mehr als soundso viele pro Person und Jahr ausgraben, aber das ist genauso unwahrscheinlich, wie daß man etwa zuviel Dinosaurier ausgraben könnte.
    Eines Junimorgens – die Ebbe war so weit draußen wie noch nie – schlenderten Anne und Joan und Don und ich am Rande des Wassers entlang, auf der Suche nach den kleinen Chitonschnecken, deren wunderschön türkisblaue, blaßgelbe, kastanienbraune und weiße Gehäuse wir sammelten. Plötzlich rief Joanie, die am weitesten voraus war: «Geoduck! Schnell, schnell!»
    Wir rannten, aber auf Zehenspitzen, um die Geoduck, die ihren langen Hals wie ein Periskop aus dem Wasser streckte, nicht zu warnen. Kaum hatten wir die Stelle erreicht, da kniete Joan hin und packte das Tier beim Halse und hielt es fest, während Don und ich mit den Händen gruben und Anne heimlief, um die Schaufel zu holen. Der Sand war weich und mit den Händen recht leicht auszuhöhlen – abgesehen davon, daß die Fingernägel sich dabei völlig abwetzen –, bis Anne endlich mit der Schaufel kam. Wenn man eine Geoduck fangen will, darf man keine Sekunde in der Arbeit unterbrechen, daher löste Anne nun Joan ab, Don grub mit der Schaufel und Joan und ich benutzten die Hände, immer tiefer den Hals hinab und in den Sand hinein, wo wir endlich auf die Schale zu stoßen hofften.
    Das Loch, in dem Joan und Anne und ich knieten, war schon mindestens einen Meter tief und voller Wasser, als ich endlich die Schale spürte. Ich rief es Don zu, der mir sofort zu Hilfe kam, seine Hand am Hals des Tieres hinabgleiten ließ, bis auch er die Schale fühlte, und dann hielt er dort fest, wo ich loslassen konnte, um nun so schnell wie möglich rings um die Schale zu schaufeln. Joan schöpfte mit einer alten Konservenbüchse Wasser aus, aber die Flut kam näher und drohte mit Überschwemmung. Wir steckten in Jean-Hosen und

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