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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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und jagendem Wind und peitschendem Regen gehabt. Am Morgen nach dem Sturm – es war ein Sonntag – gingen wir alle an den Strand hinunter, um, wie Don immer sagt, nachzusehen, was ‹der liebe Gott uns geschenkt hat›. Die Flut hatte ein Dutzend große Holzkisten angespült. Wir sammelten sie ein und stapelten sie auf der Ufermauer auf. Als wir sie aufbrachen, entdeckten wir verschiedene Sorten Armeeverpflegung: eine Art Hackfleisch, das unser Mitleid mit unsern lieben Soldaten noch vertiefte, so greulich schmeckte es, ferner Trockennahrung, die wir an die Enten und Möwen verfütterten, dann Blechbüchsen, die drei Bonbons, drei Zigaretten, Zitronensaft in Pulverform und ein Büchschen Kaffeepulver enthielten. Wir hörten, daß andre Familien hinter der Landzunge Schinken und Säcke mit Mehl gefunden hatten, die auch durchnäßt noch brauchbar waren. Wir konnten aber nicht feststellen, ob es stimmte oder bloß Angeberei war.
    Oft finden wir Ruderboote, aber sie zu behalten, bringen wir nicht fertig, erstens aus Ehrlichkeit, zweitens, weil sich unsere eigenen auch gelegentlich losmachen, und drittens wegen der großen Nummern, die auf die Bordwände gemalt sind. Doch gilt ein ungeschriebenes Gesetz, daß man behalten darf, was an Pfählen, Stangen, Treibholz, Schaufeln, Eimern und Spielzeugbooten angeschwemmt wird.
    Die Jagd auf Strandgut macht Spaß, selbst wenn die Ausbeute nichts weiter als ein Stück Treibholz oder Achat ist. Nach einem Sturm an den Strand hinunterzugehen, bedeutet in meinem Erwachsenen-Dasein ein Wiederaufleben aller herrlichen, fröhlichen Kindheitserwartungen. Und zu Anne und Joan pflege ich dann meistens zu sagen (ohne mich allzusehr ans Lexikonwissen zu klammem), «schließlich erstreckt sich der Stille Ozean vom Nordpol bis zum Südpol, hat eine Oberfläche von etwa siebzig Millionen Quadratmeilen und ist so alt wie die Erde. Er kann uns einfach alles anschwemmen!»
    Don und ich sind durchaus der Ansicht, daß wir Inselbewohner Handel und Gewerbe der Insel weitgehend unterstützen sollten. Das bedeutet für uns alle einen Einkaufsausflug nach Vashon, der am Samstagnachmittag stattfindet, und hinzu kommen dann noch die Lieferungen und Leistungen von Milchmann und Wäscherei, telefonische Bestellungen bei einem großen Seattle-Lieferhaus und gelegentlich Spaziergänge über Land, um bei einem Farmer Hühner oder Eier zu kaufen. An jenem allerersten Oktobertag erkundigte ich mich im Dorfladen, wo ich die frischesten Eier bekäme, und hörte von einer kleinen Hühnerfarm ganz in unsrer Nähe. Am nächsten Samstag nachmittag gingen Anne und Joanie, Don und ich dorthin. Es war ein schmuckes kleines Gehöft mit einem weißen Staketzaun und einem kleinen weißen Wohnhaus. Ich klopfte an, und eine freundliche Frau in einer sauberen blauweißkarierten Schürze machte mir auf. Ich sagte: «Wir möchten gern ein paar Eier kaufen.»
    Sie fragte: «Wer sind Sie?»
    Ich erwiderte: «Wir sind die MacDonalds.»
    Sie sagte: «Die MacDonalds? Dann müßten Sie ja Doktor Morrows Haus gekauft haben?»
    Ich antwortete: «Ja, wir haben Doktor Morrows Haus gekauft.»
    Sie sagte: «Dann müßten Sie ja die MacDonalds sein?»
    Ich entgegnete: «Wir sind auch die MacDonalds!»
    Sie sagte: «Aber die MacDonalds kauften doch Doktor Morrows Haus?»
    Ich sagte: «Ja, das haben wir ja auch getan. Wir kauften Doktor Morrows Haus, und wir sind die MacDonalds. Wir wohnen an der Delphinhalbinsel.»
    Sie sagte: «Kommen Sie bitte ins Haus.»
    Ich sagte: «Wir wollten gern Eier kaufen. Haben Sie welche?»
    Sie sagte: «Ich verkaufe nur an die Nachbarn.»
    Ich erwiderte: «Aber wir sind ja Ihre Nachbarn. Wir kauften Doktor Morrows Haus am Strand.»
    Sie sagte: «Aber ich dachte, die MacDonalds hätten Doktor Morrows Haus gekauft?»
    Da gab ich’s auf.
    Seither kaufen wir die Eier meistens im Lädchen.
    Die Butter kauften wir lange Zeit von der Mutter eines Freundes von Don, der auch in der Flugzeugfabrik arbeitete. Sie war dunkelgelb und schmeckte wie Käse, doch legte sie sie immer in den Postkasten, was sehr praktisch war, und manchmal schenkte sie mir etwas saure Sahne.
    Von seinem italienischen Farmer-Freund erhielt Don immer erstklassiges kalifornisches Olivenöl, große Kistchen mit roten Johannisbeeren, von denen jede blutrot und so prall wie eine Marmelkugel war, dazu Stachelbeeren, die eher wie dicke grüne Weintrauben aussahen, und außerdem Faba-Bohnen, die großen Pferdebohnen, die, wenn man sie auf italienische

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