Die Insel und ich
Mengen gut schmeckt, kann auch in Hülle und Fülle nichts schaden», und das bedeutet, daß wir immer viel zu viel Reste haben. Meine Mutter handelt immer nach ihrem Leitsatz: gutes Essen, einfach zubereitet, gut gewürzt und hübsch angerichtet.
Wenn ich koche, bin ich mir dauernd bewußt, was für ein Glück ich in der Wahl eines Ehegatten wie Don gehabt habe, denn er ist ein Feinschmecker, für den zu kochen einfach ein Vergnügen, ist. Er hat nur einen kleinen Fehler (auf diesem Gebiet): er möchte Beef Stroganoff zu jeder Mahlzeit haben. Ich esse es auch gern, aber es ist zu langweilig, das Fleisch in bleistiftdünne Streifen zu schneiden und zu servieren, sowie es fertig ist – es geht zum Beispiel nie bei Gästen, die um elf Uhr noch immer Apéritif trinken.
Und dann spricht noch etwas für den guten alten Don: mit den Getränken weiß er’s gut einzurichten und verabfolgt sie häufig und kräftig, so daß die Gäste entweder in leicht benebeltem Zustand an den Tisch gehen oder sonst so milde gestimmt sind, daß es ihnen nicht mehr auffällt, wenn die Bohnen angebrannt sind.
Don kocht auch gern, aber wie alle Männer-Köche nimmt er in der Küche, selbst wenn er nur ein Spiegelei brät, sofort die Haltung eines weltberühmten Chirurgen an, der einem Neugeborenen die Luftröhre repariert. «Reich mir doch die Pfanne! Wo ist die Butter? Jetzt etwas grob gemahlenen Pfeffer, ah, halt doch, nicht zuviel! Ist das Röstbrot fertig? Sind die Teller vorgewärmt? Und der Kaffee? Fertig? So, nun mal die Schaufel her, nein, nicht die, lieber die große. Mach doch schnell, es wird ja alles kalt!» Er verlangt viel von seinem Angestelltenstab, während er selber die erst so saubere Küche in einem Zustand hinterläßt, als ob eine Horde wildgewordener Backfische und deren Freunde sie über Wochenende benutzt hätten.
Eine von Dons kulinarischen Spezialitäten sind Monte-Cristo-Sandwiches. Schinken, Schweizer Käse und Truthahn wird zwischen zwei Weißbrotscheiben gelegt, das Ganze in Ei getaucht und in Butter gebraten. Er macht sie bereitwilligst jederzeit und für jedermann, doch am liebsten für seine besten Freunde und gegen drei Uhr morgens. Als wir unsern zweiten Silvesterabend auf der Insel feiern wollten, luden wir dazu unsre liebsten Freunde ein, doch als ich am Morgen die Augen aufschlug, merkte ich, daß ich Influenza hatte. Mir war heiß, die Brust schmerzte, und lesen wollte ich auch nicht. Don brachte mir zweimal eine Tasse Kaffee und zwei Aspirin. Jedesmal fragte er mich sehnsüchtig, ob ich mich nicht wohl genug fühle, um aufzustehen. Ich trank den Kaffee, nahm das Aspirin, stand auf, wusch mein Gesicht und legte mich wieder ins Bett. Mir war gräßlich. Wie Kinderlähmung plus doppelter Lungenentzündung und ein Schuß Cholera.
Zu Mittag brachte mir Anne eine Schüssel köstlicher Gemüsesuppe, die sie nur für mich gemacht hatte, und fragte erwartungsvoll, ob es mir besser ginge. Ich aß die Suppe, nahm zwei Aspirin, stand auf, wusch mein Gesicht und legte mich sofort wieder ins Bett. Nachher machte Joanie ein schönes Feuer im Schlafzimmerkamin, und Anne brachte Tee. «Ist dir jetzt nicht nach Aufstehen zumute?» fragten beide ängstlich.
«Mir ist scheußlich zumute», sagte ich. «Hundsmiserabel! Heute abend werdet ihr mich wohl als Gastgeberin vertreten müssen.»
Don kam und sagte: «Oh, bis heute abend geht’s dir wieder gut! Liege nur heute nachmittag schön still, dann bist du heute abend frisch.»
Aber ich fühlte mich nicht frisch. Ich fühlte mich so schlecht wie noch nie. Schließlich erinnerte ich meine Lieben, die mich immer noch auf die Füße und auf meinen Platz am Steuerruder stellen wollten, an die Tatsache, daß ich ja mal Tbc gehabt hatte und es allmählich Zeit würde, daß sie begriffen, ich sei nicht so groß und stark, wie es offenbar den Anschein hätte. Und mit schwacher Stimme setzte ich hinzu, daß ich nicht richtig sehen könne und überall Schmerzen hätte. Anne telefonierte Mutter herbei, die denn auch auf der nächsten Fähre herüberkam, und ich möchte nur bemerken, daß ich weiß, was für große Fortschritte die Psychiatrie gemacht hat und daß die Psychoanalyse wirklich etwas für sich hat, aber trotzdem soll sich keiner unterstehen, meine Nabelschnur durchzuschneiden! Kaum betritt meine Mutter das Haus, dann ist schon alles gut, dann ist Frieden. Frieden, Behaglichkeit und Rauch. «Mir geht’s furchtbar schlecht», rief ich ihr kläglich entgegen, «und
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