Die Insel und ich
Karen kicherten, doch dann sagte Joanie: «Bitte rauch lieber nicht, Mommy. Keine von den Frauen hier tut’s, und du siehst seltsam aus.»
«Du meinst wohl ordinär – als ob man barfuß geht und Shorts trägt?»
«Oh, Mommy», flehte Joan, «du weißt doch, wie ich’s meine.»
«Ja, Schätzchen, aber ich bin so müde, daß es mir einerlei ist. Ich brauche eine Zigarette, und vor allem brauche ich einen Martini!»
«Still!» rief Joan. «Wenn dich jemand hört!»
Hinter uns sagte eine nette Stimme: «Ich hätte gern eine Flasche kaltes Bier!»
«Und ich erst!» kam die Antwort.
«Was sagst du dazu?» fragte ich Joan.
«Tja, das sind auch keine Mütter!» sagte sie.
Müde drückte ich die Zigarette aus und nahm statt dessen einen Schluck aus Joans lauwarmer Coca-Cola-Flasche. Erst nach elf Uhr hatte Mr. Hawkins seinen Versandschuppen gesäubert und verschlossen, und um halb zwölf fuhr er dann glücklich mit dem Lastwagen vor, und als wir an der Ecke von Sanders’ Straße anlangten, verlangsamte er die Fahrt nur ein klein bißchen, so daß Joan und ich mit knapper Not herunterspringen konnten. Meine Blasen taten so weh, daß ich die Schuhe nicht anziehen konnte, daher trug ich sie in der Hand und lief auf Strümpfen. Die Straße war kurz zuvor neu beschottert worden, und es war wie ein Gang auf Glasscherben. Da es sehr dunkel war, konnten wir die größeren Steine nicht erkennen, sondern spürten sie erst, wenn wir mit den Zehen empfindlich dagegenstießen. Wir torkelten weiter und jammerten, wie müde wir seien, als wir plötzlich die Lichter von Dons Wagen auf dem Hügel hinter uns sahen.
Joan sagte: «Mommy, wollen Anne nicht sagen, wie gräßlich es war. Woll’n sagen, es war himmlisch, und wir hätten nichts getan als Pfirsiche gegessen und fünfundachtzig Cents die Stunde verdient.»
Es leuchtete mir ein, und als Don hielt und wir in den Wagen stiegen, versuchte ich einen lustigen Hopser und tat munter.
«Wie war’s?» fragte Anne sofort.
«Einfach himmlisch», rief Joan. «Die Pfirsiche sind riesengroß, und man kann essen soviel man will, und Karen und ich haben immerzu bloß unter den Bäumen gesessen und Pfirsiche gegessen und gelacht und Geld verdient: im ganzen zehn Dollar zwanzig!»
«Zehn Dollar zwanzig?» rief Anne. «Und ich hab bloß fünfzehn Dollar für die ganze Woche bekommen!»
«Mußt halt auch kommen und Pfirsiche pflücken», sagte Joan. «Sie brauchen noch mehr Pflückerinnen.»
«Wirklich wahr?» fragte Anne.
«Ja, es stimmt», sagte ich. «Ich mußte doch Mrs. Hawkins versprechen, daß wir zu viert kommen würden, sonst hätten sie uns gar nicht abgeholt.»
«Gut, dann komm ich morgen mit», rief Anne. «Zehn Dollar zwanzig – dafür bekomme ich ja Sportschuhe und außerdem noch Mokassins.»
Es war ein Vorteil für uns alle, daß Anne mitkam. Sie freundete sich mit Mrs. Hawkins’ Tochter an und erfuhr, daß wir so viel Wasser bekommen konnten, wie wir nur wollten, und soviel Brote, wie wir nur essen konnten. Die winzigen Portionen waren Mrs. Swensens Idee gewesen. Und Anne blieb auch bei mir und arbeitete getreulich in meinem langsamen Tempo. Ich trug Tennisschuhe und eine dünnere Bluse und war längst nicht so müde. Mrs. Swensen sah mich, rümpfte die Nase und umkreiste mich wie eine dicke Wespe, aber sie sagte nichts.
Wir arbeiteten nicht jeden Abend so lange, und nach einiger Zeit war ich nicht mehr so erschöpft, wenn ich abends heimkam. Wir erhielten alle einen Stundenlohn von fünfundachtzig Cents angerechnet, und das war eine freudige Überraschung. Am Samstag vor dem ersten September – unserm Arbeiterfeiertag – gingen wir alle vier in die Stadt und feierten kräftig mit unserm wohlverdienten Geld. Die Kinder gaben alles für Kleider und Platten und Armbandglücksbringer aus, und ich kaufte mir ein paar Töpfe und Pfannen, ein Schreibmaschinenband und einen großen weißen Kamelienbusch. Don war sehr stolz auf uns drei, und Joan meinte, vielleicht würde er nächstes Jahr auch gerne mitkommen und pflücken. «O nein», rief Anne, «das geht nicht! Mrs. Swensen kann Männer als Pflücker nicht ausstehen! Sie sagt, Männer rauchen und fluchen immer.»
«Eine Beschreibung, die ausgezeichnet auf mich zutrifft!» sagte Don. «Dann wird mir wohl weiter nichts übrigbleiben, als mein Geld mit Muscheln-Ausgraben zu verdienen.»
Selbstgekocht
Eine Nachbarin hatte ein Babykränzchen veranstaltet, und wir waren allesamt eingeladen. Don, der nicht für
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