Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
sich in Luft auflösten und sein warmer Zauber mich erfüllte. Mein Herz schlug ein bisschen schneller, aber im Augenblick konnte ich nichts dagegen tun.
Es hing immer noch Dunkelmagie in der Luft, als ich kurz darauf mit dem Schwert in der Hand die Treppe hinunterging, um mich zu erleichtern. Überall, wo ich hinsah, waren die schalen Spuren von wütendem Rot zu sehen, das mein Weißbewusstsein zu verwirren versuchte. Es hing an der Treppe, glühte dumpf in den Türen, verrottete an Stuhl- und Tischbeinen im Schankraum.
Einige Wahrer saßen am Tisch bei der Küchentür und nahmen ein spätes Frühstück zu sich. Sie trugen lässige Kleidung; niemand von ihnen hatte ein Kasel an. Ihre Silbmagie schien gegenüber all der Dunkelmagie regelrecht zu verblassen. Eine von ihnen kannte ich von früher: Sie war mit mir auf der Mädchenschule gewesen, aber als unsere Blicke sich trafen, ließ sie nicht erkennen, dass sie sich an mich erinnerte, und so ließ ich meinen Blick weiterschweifen, während ich den Raum durchquerte und hinaus in den Hof trat.
Als ich kurz darauf wieder zurückkehrte, stieß ich geradewegs auf Janko, der gleich bei der Tür stand. Er war so lüstern wie immer, nur wirkte er diesmal gar nicht erbärmlich, sondern obszön.
Und er ging davon aus, dass ich immer noch nicht wusste, wer er wirklich war. Mir war klar, dass sich eine solche Gelegenheit vielleicht nie wieder bieten würde.
Noch bevor ich begriff, was ich tat, hatte ich mein Schwert bereits aus der Scheide gezogen und wollte es ihm in die Brust stoßen.
Und ich hätte ihn sogar getötet – und den Lauf der Geschichte verändert –, wäre mir nicht eine jener Launen des Schicksals in die Quere gekommen, die mitunter selbst unsere besten Pläne zunichtemachen. Denn genau diesen Moment hatte sich der Küchenjunge, beladen mit einem Haufen Seetang, den er für den Ofen brauchte, ausgewählt, um ins Zimmer zurückzukehren. Da seine Sicht durch die Last behindert war, berührte er meinen Arm, als er an mir vorbeistrich, und der Schwertstoß, der Janko mitten ins Herz hätte treffen sollen, wurde abgelenkt und trennte ihm lediglich zwei Finger seiner linken Hand ab.
Von einem Moment zum nächsten brach Chaos aus. Janko brüllte mörderisch und schleuderte mir einen Dunkelmagie-Fluch ins Gesicht. Er fügte mir zwar keinen Schaden zu, aber die Magie zerplatzte in meinen Augen als übler Schauer aus blutigem Licht. Unwillkürlich zuckte ich zurück und würgte. Der Küchenjunge schrie wild drauflos und überschüttete uns in seiner Panik mit dem Seetang. Das Blut, das aus Jankos Hand schoss, spritzte mir ins Gesicht, und ich musste es mir erst aus den Augen wischen, ehe ich ihn erneut angreifen konnte. Der Schenkenwirt tauchte schreiend auf der Türschwelle auf. » Janko, was zur beschissenen Hölle geht da vor?« Janko antwortete nicht; er war zu beschäftigt damit, meinen nächsten Angriff mit einer weiteren Explosion seiner Macht abzuwehren. Dann bekam ich Gesellschaft, als sich das gesamte Kontingent Wahrer zu uns begab.
Ich dachte, dass sie gekommen wären, um mir zu helfen. Dass sie Silbmagier von der Herz der Wahrer waren. Dass Janko sterben würde. Dass ich die neue Heldin der Ruhmesinseln werden würde …
Aber diese Leute waren nicht von der Herz der Wahrer.
Sie waren Dunkelmagier. Bezwungene Silbbegabte.
Mein Entsetzen darüber war gewaltig – all diese großen, goldenen Leute zu sehen, über deren Haut Dunkelmagie spielte. Die Boshaftigkeit in ihren hübschen violetten Augen zu sehen, ihren Hunger nach meinem Schmerz. Dunkelmagische Wahrer! Es war, als wäre es der Sonne nicht gelungen, aufzugehen …
Ich kämpfte. Lieber Gott, und wie ich kämpfte. Ich packte einen Stuhl und brachte mich mit dem Rücken zur Wand in Stellung. Janko zog sich natürlich aus dem Handgemenge zurück und überließ alles seinen Gefolgsleuten. Sie kamen mit ihren Schwertern auf mich zu, mit ihrer Kampferfahrung als Wahrer und ihrem Hass. Und irgendwo im Hintergrund dieser glühenden Augen sah ich Spuren von dem, was sie einst gewesen waren. Es war genau so, wie Flamme erklärt hatte … Ein Teil von ihnen wusste tatsächlich noch genau, was sie einst gewesen waren, und hinter dem Hass loderte blankes Entsetzen.
Selten hatte ich so wenig Spaß an einem Kampf gehabt.
Ich wehrte die ersten Hiebe mit dem Stuhl ab, und dann gelang es mir, eine Angreiferin mit einem raschen Stich zwischen den Stuhlbeinen hindurch zu töten. Ihr Tod machte den anderen
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