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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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eine rebellierende Gruppe? Ein Schreiber vielleicht? Einer von denen, die aufwieglerische Flugblätter verfassten, die von Zeit zu Zeit irgendwo auftauchten und Freiheit predigten sowie für etwas warben, das sie » allgemeines Wahlrecht« nannten. Sie verbreiteten oft die Gedanken, die Thor äußerte, wenn er mit mir sprach, Ideen, die gut klangen, von denen ich mir aber nicht vorstellen konnte, wie sie umgesetzt werden sollten. Oder dass sie jemals erfolgreich sein würden, selbst wenn ein Inselreich dazu gebracht werden könnte, sie anzuwenden. Meine Vorstellung von der Menschheit war weitaus verbitterter als Thors, denke ich. Ich war überzeugt, dass wir in vernunftloser Anarchie enden würden, wenn jeder in der Regierung mitmischen könnte. » Am Ende werden diejenigen herrschen, die die lautesten Stimmen und die einprägsamsten Parolen haben«, sagte ich während einer unserer Unterhaltungen.
    » Bildung ist der Schlüssel«, erwiderte er. » Den Leuten die Wahrheit mitzuteilen.«
    Wie auch immer, er hatte mir nie erklärt, wie er sich seinen Lebensunterhalt verdient hatte. Soweit ich erkennen konnte, hatte er sich in einer Reihe unterschiedlicher Berufe versucht, früher oder später fast in jedem Inselreich, und viele seiner Tätigkeiten waren dazu gedacht gewesen, den Einfluss der Wahrer-Kaufleute und Silbbegabten zu mindern. Er hatte sogar eine Zeitlang auf den Wahrer-Inseln gelebt, wo er dem Schuhmacher Minus zum ersten Mal begegnet war.
    Ich vermutete, dass es seine Verbindung mit den Menoden von Quiller war, weshalb er sich so für Alain interessierte. Er verbrachte sicherlich Stunden im Vergessen damit, sich mit ihm zu unterhalten. Sie sprachen hauptsächlich über religiöse Dinge, gewöhnlich leise, wenn ich mich mit dem Ghemf unterhielt. Alain, stellte ich fest, versuchte Thor von seiner Denkweise zu überzeugen, und es gab eine Reihe langer Diskussionen zwischen ihnen, in denen sie sich über einige Aspekte der Glaubenslehre austauschten, die sie unterschiedlich sahen. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass Thor es durchaus mit Alain aufnehmen konnte, was sein Wissen über die Religion der Menoden wie auch über ältere heidnische Religionen betraf, was bei einem Laienbruder eher ungewöhnlich war. Meistens langweilten mich ihre Gespräche; ich verstand nicht viel von dem, was sie sagten, und all das Herumdeuteln an kleineren Glaubens- oder Verhaltensfragen kam mir wie Zeitverschwendung vor. Natürlich fragte ich mich damals, ob Thor vielleicht selbst ein Menode war. Er glaubte sicherlich an Gott, und es überraschte mich ein bisschen, mit welchem Ernst er das tat. Andererseits hörte ich genug von ihm, um zu wissen, dass er den Glauben der Menoden scharf kritisieren konnte. Zum Beispiel lachte er darüber, wie sehr sie die Keuschheit von Unverheirateten betonten, die er als künstliche Erfindung des Menschen abtat; eine Erfindung, die Gott selbst, der uns unsere Begierden mitgegeben hatte, als unnatürlich verdammen würde. Ich fand diese Begründung unwichtig, wenn sie auch zutreffen mochte, und konnte nicht verstehen, wieso Thors Überzeugungen Alain so sehr aufbrachten, wie es der Fall war.
    Zu anderen Zeiten zog Thor sich vollkommen in sich selbst zurück. Er wirkte richtig zufrieden damit, stundenlang einfach nur zu schweigen und nachzudenken. Er blieb ausgeglichen, sogar fröhlich und ruhig. Ich dagegen verhielt mich wie eine gefangene Katze. Ich ging umher (soweit man umhergehen kann, wenn man ein sechs Fuß langes Joch in einer Zelle von der Größe einer Schiffskabine mit sich herumschleppt); ich verlor meine Fassung; ich schimpfte auf das Schicksal, auf Morthred; ich wütete und schrie. Immer wieder war es Thor, der mich beruhigte, der meine Energie auf eine Ebene herunterholte, auf der ich sie besser handhaben konnte. Er hatte so viel mehr innere Kraft als ich, und doch war er vorsichtig darauf bedacht, mich niemals zu beschämen – auch wenn es viele Momente gab, in denen ich hätte beschämt sein müssen. Ich kam mit dem Eingesperrtsein nicht gut zurecht. Besonders nicht, wenn ich daran dachte, dass all das wahrscheinlich in einer ewigen Hölle aus Schmerz und Folter enden würde.
    » Erzähl mir etwas von dir«, pflegte Thor zu sagen, wenn es offensichtlich war, dass mein Zustand die Grenze des Erträglichen erreicht hatte. » Erzähl mir etwas aus deinem Leben. Ich will alles wissen …«
    » Erinnerst du dich irgendwie an deine Eltern?«, fragte er einmal.
    Das Vergessen

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