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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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bekommen würde. Es war offensichtlich wichtig für sie, und so fügte ich mich. Auf diese Weise wurden auch die Ohrläppchen-Tätowierungen angefertigt, wie ich wusste – mit den Klauen. Allerdings hatte ich nicht gewusst, wie rasiermesserscharf die Krallen waren, bis sie in meine Handfläche schnitten und Blut hervortrat. Und dann sah ich, dass Flüssigkeit durch die hohle Fuge in der Mitte der Kralle drang; jedes Mal, wenn sie mich stach, blieb ein Tropfen davon zurück, der sich mit meinem Blut vermischte und in die Wunde sickerte. Sie lag im Sterben und hatte Schmerzen, und doch bewegte sie ihren Zeh – nur einen einzigen – so lange mit vollkommener Präzision und Beherrschung, bis sie das gewünschte Muster vollendet hatte. Es sah aus wie ein verschlungenes » M« mit einer waagerechten Linie dahinter.
    » Das ist ein Bughet … Symbol … Wassergefäß … mein Volk. Lege deine Handfläche in mein Blut.«
    Ich tat wie geheißen und legte meine Hand in das Blut, das aus ihrem Mund kam und jetzt über ihren Hals lief. Unser Blut vermischte sich.
    Die Wunde kitzelte, als würden Blasen in ihr aufplatzen.
    » Mein Name ist … Mayeen. Merke ihn dir.«
    » Dein Geistname?«
    Sie nickte. » Zeige deine Hand … meinem Volk … wenn du Hilfe … brauchst …«
    Ich war tief bewegt. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. » Mayeen«, sagte ich. » Ich danke dir.«
    Sie sprach nur noch ein einziges Mal, als sie einige Zeit später die Hand ausstreckte und mein linkes Ohrläppchen berührte. » Ich wünschte, ich hätte …«
    » Es spielt keine Rolle«, sagte ich, und zum ersten Mal in meinem Leben war das auch wirklich so. » Es war mir eine Ehre, dich kennen gelernt zu haben, Mayeen.«
    Sie antwortete darauf nicht mehr, aber sie brauchte lange Zeit zum Sterben.
    Ich saß auf einem Stein und hielt Aylsas Körper in meinen Armen, während das Wasser um meine Knöchel schwappte. Ich war unfähig, sie dem steigenden Wasser zu übergeben. Sie war tot, was also spielte es für eine Rolle, was mit ihrem Körper geschah? Aber es spielte eine Rolle. Sogar eine sehr große.
    Ich konnte immer noch nicht verstehen, was sie dazu gebracht hatte, mir das Wissen um ihren Namen zu schenken. Was hatte ich je für sie getan? Sie war es doch gewesen, die mir geholfen hatte. Sie hatte mich von dem Joch befreit und war dann bei dem Versuch gestorben, mich zu retten. Ich dagegen hatte sie lediglich so behandelt, wie ich jeden anderen unter ähnlichen Umständen behandelt hätte. Ich hatte sie gemocht, ja, aber es war ihr Tod, durch den ich zu etwas Besonderem in Bezug auf sie wurde. Ich fühlte mich unzulänglich, weniger als das, was ich hätte sein sollen. Jemand war für mich gestorben, jemand, deren Art ich bisher verachtet hatte, und jetzt kam mir alles, was ich sonst so ersehnt hatte – der Wunsch nach einem Bürgerrecht, der Wohlstand, die Sicherheit – armselig vor. Was spielte es noch für eine Rolle? Ich hätte alles hergegeben, wenn ich Aylsa damit wieder hätte lebendig machen können.
    Das Leben eines Ghemfen war mir plötzlich wichtiger als alle meine Ziele.
    Ich saß noch genauso da, als Morthred auftauchte. Er war nicht allein: Flamme begleitete ihn, und auch Thor war dabei.
    Ich hatte nur Augen für Thor. Er wurde von zwei bewaffneten, bezwungenen Silbmagiern gestützt, oder besser gezogen, und er war nackt und an Händen und Füßen gefesselt. Noch andere Wachen waren bei ihnen; Morthred genoss es offensichtlich, die Sicherheitsmaßnahmen zu übertreiben. Sie schoben Thor dicht an den Rand des Lochs, damit ich ihn sehen konnte.
    Ich rührte mich nicht. Ich blieb einfach sitzen, bis zur Taille im Wasser und nach wir vor Aylsa in den Armen haltend, aber ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Er starrte mit leerem Blick vor sich hin, aber nicht zu mir herunter. Ich sah, was Flamme erschaffen hatte: leere Augenhöhlen, einen blutigen Mund, eine zerstörte Männlichkeit. All das sah ich jedoch als Dunst der Silbmagie, die über der Realität schwebte. Erst jetzt begriff ich, wie sehr ich befürchtet hatte, dass Flamme es nicht würde tun können und er wirklich verstümmelt werden würde. Erst jetzt begriff ich, dass ein Teil von mir befürchtet hatte, Morthred hätte sie doch ein zweites Mal verwandelt.
    Ich glaube nicht, dass ich die höhnischen Bemerkungen hörte, die man zu mir herunterschrie. Und wenn doch, dann erinnere ich mich jetzt jedenfalls nicht mehr daran. Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, dass

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