Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
hochflog, das ich mir als Ziel auserwählt hatte, und im Innern des Gebäudes verschwand.
Ich zögerte. Ein Vogel? Hatten Dunkelmagier etwas mit Vögeln zu tun? Es kam mir lächerlich vor. Vor Angst begann ich, mir Dinge einzubilden …
Ich kletterte weiter.
Als ich das Fenster erreichte, war es mit dem wüsten Rot der Dunkelmagie verhüllt. Der Anblick und das, was ich spürte, erzeugten einen starken Widerwillen in mir, obwohl ich wusste, dass es mir nichts anhaben konnte. Ein Vogel – der gleiche von eben? – saß auf einem Fensterbrett, ein dunkles Wesen, das kaum größer war als ein Straßenspatz. Im Mondlicht wirkte er, als wäre er nichts weiter als ein schwarzes Bündel aus Federn, ohne irgendwelche charakteristischen Besonderheiten, an denen man ihn erkennen konnte.
Ich hievte mich in das Zimmer hinein und zog mein Schwert. Der Vogel rührte sich nicht einmal, als ich an ihm vorbeikam.
Flamme stand reglos in der Dunkelheit. Der Vogel hinter mir zwitscherte. » Glut?«, fragte sie, als könnte sie nicht glauben, dass ich es war. Ich konnte ihr nicht verübeln, dass mein Anblick sie überraschte, aber ich wunderte mich, wieso sie wusste, dass ich es war. Es war immerhin ziemlich dunkel. » Was, verflucht noch mal, tut Ihr hier?«
» Oh, ich bin zufällig vorbeigekommen und dachte, ich spring mal kurz bei Euch herein. Um zu hören, wie’s Euch geht, versteht Ihr. Könntet Ihr nicht ein bisschen Silblicht anmachen? Ich kann nicht das Geringste sehen.«
Sie kam meiner Bitte nach, und plötzlich schwebte ein rundlicher silberner Schein mitten im Raum. Das war einer der praktischen Vorteile der Silbmagie, wie ich immer fand. Ich sah mich um. Es war ein schmutziger Ort. Es gab keine Möbel, und ohne Ochsen und Pflug hätte man den Boden nicht saubergekriegt. Undefinierbares Ungeziefer huschte eilig aus dem Lichtkreis.
Ich sah Flamme an. Wie erwartet war sie vergewaltigt worden; alle Anzeichen dafür waren vorhanden. Sie stand reglos da, mit Prellungen um die Augen, an den Seiten herunterhängenden Händen und zerrissener, blutverschmierter Kleidung. Den körperlichen Schaden hatte sie vermutlich bereits mit Hilfe ihrer Magie behoben, aber es gab Dinge, die waren nicht so leicht zu reparieren. » Oh, Scheiße«, sagte ich leise.
Sie senkte den Blick. » Ja.«
Ich fühlte mich plötzlich sehr wie eine Frau. Wollte sie halten, sie trösten, aber ich spürte, dass es der falsche Augenblick war. Ich wollte, dass sie stark war, nicht zu sehr in ihren Gefühlen versank. » Was ist passiert?«, fragte ich.
» Jemand hat Dunkelmagie auf mich geschleudert, als ich zur Toilette ging. Ich weiß nicht, wer es war. Selbst jetzt weiß ich es noch nicht. Er hat sich hinter einem Schleier verborgen, sogar dann, als er –« Sie schluckte. » Ich wurde mit Dunkelmagie bewusstlos geschlagen; ich konnte nichts dagegen tun. Er war so verflucht mächtig, Glut.«
» Hmm. Ich weiß. Was hat er mit Euch vor?« Abgesehen vom Offensichtlichen.
Sie streckte ihren linken Arm aus. An der Innenseite des Unterarms, zwischen Ellenbogen und Handgelenk, befand sich ein Zeichen auf der nackten Haut. Ich nahm ihre Hand in meine und runzelte die Stirn, als ich darauf starrte. Der Geruch war schrecklich; in ihm schwang nicht nur Verwesung mit, sondern auch das Böse. Trotzdem sah es nicht wie das übliche tödliche Geschwür aus, das die Dunkelmagie erzeugte. Das hier war rot, und es eiterte nicht. Selbst durch meine verschwommene Sicht des Weißbewusstseins wirkte es geschwollen und unangenehm entzündet. Es erfüllte mich mit einer unaussprechlichen Furcht.
» Was ist das?«, flüsterte ich und hatte zugleich Angst vor der Antwort.
» Eine Vergiftung. Der Dunkelzauber der Bezwingung.«
Ich sah sie verständnislos an und versuchte mich zu erinnern, wieso mir dieser Ausdruck so vertraut vorkam.
» Das Gift wird meine Silbmagie in Dunkelmagie verwandeln. Es wird mich zu seiner willigen Dienerin machen, seiner Brut. Allerdings wird tief in meinem Innern ein Teil sein, der stets weiß, was ich war, selbst wenn ich diese Hölle durchleide. Versteht Ihr, Glut?« Sie sah auf, und ich bemerkte die Wildheit in ihren Augen. » Dieses Gift wird sich allmählich in meinem Körper ausbreiten, bis ich schließlich zu ihm geworden bin. Und ich kann nichts dagegen tun. Er wird mich benutzen und mich unaussprechliche Dinge für ihn tun lassen, und auch mit ihm …«
Ich fühlte mich krank, körperlich krank. Ich wollte mich erbrechen, als könnte
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