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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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vergewaltigt hatten. Sie war aus besonders hartem Stoff, diese Cirkasin. Und sie war rätselhaft. Wie hatte es eine derart hinreißend begehrenswerte Frau geschafft, sich so lange an ihre Jungfräulichkeit zu klammern? War sie möglicherweise eine der verschleierten, verwöhnten und eingesperrten adeligen Frauen? Und wieso hatte ich dieses eigenartig gemischte Gefühl, wenn ich mit ihr sprach? Manchmal kam sie mir so welterfahren vor, und dann wieder wirkte sie beinahe kindlich.
    Ich beendete meine Untersuchung des Raumes, als der Vogel auf dem Fensterbrett zu ihr flog und auf ihrer Schulter landete. Er schillerte im Silblicht, und ich erkannte in ihm die gleiche Gattung – das gleiche Wesen? –, das mir an meinem ersten Tag im Schankraum der Trunkenen Scholle gegenübergesessen hatte. Sie hob geistesabwesend eine Hand und kraulte ihn mit dem Zeigefinger am Hals, aber es war das Verhalten des Vogels, das mich verblüffte. Er streckte die Spitze eines Flügels aus und berührte ihre Wange.
    Es war eine richtig menschliche Geste, so wenig vogelhaft, eine Geste des Trostes, der Liebe. Ich glaube, ich muss sie mit offenem Mund angestarrt haben, denn der Ausdruck auf Flammes Gesicht veränderte sich, bekam etwas Herausforderndes, als wollte sie mich davon abhalten, etwas dazu zu sagen. Und so konnte ich es nicht. Nicht, wenn sie derart angespannt war, dass nur eine übermenschliche Fähigkeit ihrerseits sie noch zusammenzuhalten und vor dem Wahnsinn zu bewahren mochte.
    » Unser dunkelmagischer Mistkerl hat vergessen, das Dach zu versiegeln«, sagte ich ruhig.
    Sie zwang sich, sich interessiert zu geben. » Hat er das? Aber es ist zu hoch für mich; ich kann es nicht erreichen.«
    » Nein. Ich werde von oben kommen und Euch raufziehen. So wird es am leichtesten sein, denke ich. In Ordnung?«
    Sie nickte.
    Ich verließ das Zimmer durch das Fenster und kletterte weiter zum Dach hoch. Noch mehr Tintenfischziegel. Es war leicht, sie wegzuziehen und ein Loch zu machen. Ich kletterte hindurch und gelangte auf die im Dunkeln liegenden Dachsparren, die unter meinem Gewicht nachgaben. Ich trat ein Loch in die eine Ecke der Sparren und sah nach unten auf Flammes zu mir aufsehendes Gesicht. Dann brachen die Dachsparren ein, und ich stürzte in das Zimmer, landete auf dem Boden kurz vor dem halben Dach.
    » Das trägt nie uns beide«, sagte ich überflüssigerweise. » Es wäre am besten, Ihr würdet von meinen Schultern aus hochklettern, und ich verschwinde wieder durch das Fenster.«
    Sie nickte. Und dann hörten wir Geräusche: unmissverständliche Laute, dass jemand die Treppe hochkam. Vielleicht hatte ich ein bisschen zu viel Lärm veranstaltet, als ich das Dach zerstört hatte. Ich packte Flamme am Kragen ihres langen Hemdes und riss sie mit einer scharfen Bewegung zu mir hin. » Hört jetzt zu, Flamme, hört gut zu. Wenn ich mir Sorgen machen muss, dass Ihr wieder der Dunkelmagie zum Opfer fallt, sind wir beide tot. Ihr müsst hier rauskommen. Tötet mich nicht dadurch, dass Ihr versucht, edel zu sein. Ich kann auf mich selbst aufpassen, das verspreche ich Euch. Verstanden?«
    Sie zögerte nur den Bruchteil eines Augenblicks. Dann nickte sie.
    » Geht zurück zur Trunkenen Scholle. Der offensichtliche Ort wird hoffentlich der letzte sein, an dem sie suchen. Wartet dort auf mich. Sagt Noviss, dass er viel Aufhebens um Euer Verschwinden machen soll. Er soll alle möglichen Leute fragen, wo Ihr seid, als wärt Ihr nicht zurückgekommen.« Sie stellte einen Fuß in meine Hand, noch während ich sprach, und kletterte so sicher wie eine Akrobatin auf meine Schultern. Dann streckte sie die Hände nach den Dachsparren aus und war wenige Augenblicke, ehe die Tür aufgestoßen wurde, verschwunden.
    Ich erkannte Kill; er entsprach der Beschreibung, die ich von Niamor erhalten hatte: ein rothaariger Mörder. Seinem Bruder Teffel – dem mit der Seekartoffelnase – war ich schon zuvor begegnet. Mörder mit den Herzen von Haien, alle beide. Sie schienen nicht besonders bestürzt zu sein, dass Flamme weg war. Ich vermutete, sie glaubten, sie wäre bereits so gut wie vollständig in den Besitz ihres Herrn übergegangen, da sie ja den Fluch der Dunkelmagie auf ihrem Arm trug. Sie waren mehr an mir interessiert, denn zweifellos glaubten sie, dass ich durch das Dach gekommen war und Flamme geholfen hatte, auf die gleiche Weise wieder zu verschwinden, jetzt aber durch den Bannfluch gefangen war. Dem Grinsen auf seinem Gesicht nach schien

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