Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
glaube, Ihr röstet ihn gerade«, sagte ich sanft. Ich konnte nicht sehen, wer es war, aber das war auch nicht nötig, denn ich wusste es. Und ich wusste, dass die Beschwörungen der Dunkelmagie auf ihn genauso wenig Auswirkungen hatten wie auf mich.
» Wahrscheinlich«, sagte er mit einer honigweichen Stimme, an der ich ihn sofort wiedererkannte. » Ich dachte nur, da Ihr Euch so viel Zeit damit lasst, ihn loszuwerden, könnte ich auch nachhelfen.«
Gott, der Mann hatte tatsächlich Sinn für Humor. » Macht es Euch etwas aus, wenn ich ihn aus seiner misslichen Lage befreie?«
» Bitte sehr«, sagte Thor Reyder höflich.
Ich tötete Kill, und er sackte auf dem Boden zusammen. Reyder, der – mit nur einer Hand auf dem Fenstersims – einigermaßen Mühe gehabt hatte, das Gleichgewicht zu halten, zog sich in den Fensterrahmen hoch und hockte sich dorthin. » Ihr habt eine Menge Blut an Euch«, sagte er im Plauderton. » Ist da auch etwas von Euch dabei?«
» Nur unbedeutend.« Mir war nicht nach Scherzen zumute. » Wir bekommen Gesellschaft«, fügte ich hinzu. » Von der eher üblen Sorte.« Ich konnte hören, wie jemand die Stufen hochgeklappert kam; abgesehen davon war der Gestank der Dunkelmagie plötzlich doppelt so stark geworden. Es war in der Tat eine sehr zweifelhafte Gesellschaft, und abgesehen davon musste es sich dem Lärm nach um mehr als eine Person handeln. Ein Teil von mir wollte bleiben, um einen Blick auf den- oder diejenigen zu werfen, die da gleich zur Tür hereingestürzt kommen würden, wollte auch Flammes Problem gleich an Ort und Stelle lösen. Der gesündere Teil von mir siegte jedoch. So war es immer. Ich war müde, meine eigenen Wunden schmerzten, und Reyder – verflucht sollte er sein – trug kein Schwert bei sich. Ich schob meine Waffe zurück in die Scheide und sprang an ihm vorbei durch das Fenster, hing einen Moment an meinen Fingern und ließ mich dann auf das Dach der Veranda darunter fallen. Noch mehr Tintenfischziegel lösten sich auf. Der Vermieter würde ein echtes Problem mit undichten Stellen haben, wenn ich hier fertig war.
Reyder landete neben mir, und bevor ich etwas tun konnte, hatte er mich bei der Hand gepackt und zog mich weiter über das untere Dach auf die andere Seite des Gebäudes. » Hierher«, sagte er. » Wir springen ins Wasser.« Er ließ mir keine Zeit, irgendwelche Einwände zu erheben. Einen Augenblick später platschten wir ins Wasser.
Ich kam prustend wieder hoch. Das Salz brannte in meinen Wunden, und ich versuchte mich zu erinnern, ob es in den Gewässern um Gorthen-Nehrung irgendwelche blutrünstigen Fische gab.
» Ihr könnt doch schwimmen, hoffe ich?«, fragte er gleich neben mir.
» Ihr habt Euch wirklich einen passenden Zeitpunkt ausgesucht, um mich das zu fragen, Thor Reyder«, erwiderte ich ein bisschen sarkastisch.
Er lächelte mich im Mondschein an, und ich stellte fest, dass dies das erste Mal war, dass ich ihn hatte lächeln sehen. Er kam noch näher heran und küsste mich voll auf die Lippen – ein eher salzig-feuchter Kuss, der so verlockend war wie unerwartet. Ich zog die Brauen hoch und starrte ihn schweigend an, während wir mit den Füßen das Wasser traten, um den Kopf über der Wasseroberfläche zu halten. Irgendwie hatte ich Reyder nicht als jemanden eingeschätzt, der in ernsten Momenten zu Tändeleien neigte, und kurz darauf wurde mir klar, dass dies sogar ein sehr ernster Moment war.
Ein Bolzen aus Dunkelmagie zischte dicht bei uns ins Wasser, rot und boshaft.
Es schien Reyder nicht allzu sehr zu beunruhigen. Beiläufig sagte er: » Siehst du das Boot da drüben? Das, das uns am nächsten ist?« Er nickte zum Meer hin. » Glaubst du, du kannst so weit unter Wasser schwimmen?«
Ich sah in die Richtung, die er meinte. Mehrere kleine Boote ankerten dort; noch ein Stück dahinter hingen eine Reihe von Laternen, die wie Perlen auf dem schwarzen Samt des Meeres leuchteten: die nächtlichen Fischerboote. » Sicher.«
» Beim nächsten Bolzen tun wir so, als wären wir getroffen worden und tot. Wir tauchen ab und schwimmen auf die andere Seite des Bootes.«
Ich folgte seinem Gedankengang. Der Dunkelmeister hatte nicht gesehen, dass wir durch das Fenster entkommen waren. Er vermutete wahrscheinlich, dass wir das Dach benutzt hatten, wo es keine Schutzzauber gab. Er hatte also keinen Grund zu glauben, dass wir durch Dunkelmagie nicht verletzt werden konnten. Mit ein bisschen Glück würde er einen von uns sogar für Flamme
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