Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
mochte daran zweifeln, dass es sich um etwas Übernatürliches handelte, aber ich konnte nie wieder in aller Gelassenheit denken, dass es nichts mit mir zu tun hatte.
Sicher rochen Krankheiten immer übel für mich, sogar regelrecht falsch, aber noch nie hatte ich eine erlebt, die so richtig böse gerochen hatte. Und was immer es auch war, mit dem Ginna sich angesteckt hatte, es war böse. Es hatte kein Recht, in dieser Welt zu sein. Einen Hauch von dem gleichen Bösen hatte ich in Flamme wahrgenommen, aber es war schwach genug für mich gewesen, dass ich mich fragen konnte, ob ich mir die Boshaftigkeit möglicherweise einfach nur eingebildet hatte. Jetzt wusste ich es sicher. Und wenn dies Dunkelmagie war, dann wollte ich, dass sie für immer vom Antlitz der Welt gefegt wurde.
Hätte ich Ginna vor dem Aufbruch von Glut und Flamme gesehen, hätte sich vielleicht vieles anders entwickelt, aber sie waren bereits zehn Tage zuvor zum Treibsee aufgebrochen. Jetzt war es zu spät; ich würde sie nie einholen können.
Also hing ich weiter in Amkabraig herum, las und wartete auf Garwins Kiste.
Es überraschte mich, wie beständig die Geschichten – im allgemeinen Sinne – über die Ursprünge der Magie waren. Alle stimmten darin überein, dass die Leute, die auf der Flucht vor den Kellen von irgendeinem weit entfernten Ort zu den Inseln gekommen waren, über keinerlei Magie verfügt hatten. Sie hatten sie erhalten, als sie hier angekommen waren, oder zumindest einige von ihnen. Faszinierend war auch, dass alle Texte der Meinung waren, dass es irgendeine Art von Missbrauch der Silbfähigkeit gegeben hätte, der dann zur Dunkelmagie geführt hatte. Sämtliche Details der Geschichten mochten voneinander abweichen – manchmal stimmten sie nicht einmal darin überein, von wem die Magie stammte –, aber diese wenigen Punkte waren immer die gleichen.
Besonders faszinierend waren die eher medizinischen Aspekte der Silb- und Dunkelmagie. Ich studierte die medizinischen Papiere, die Garwin gesammelt hatte, genauer – er schien in jedem Inselreich etwas gefunden zu haben – und verglich sie mit den Rollen, die er von den Silbheilern erhalten hatte. Es war interessanter Lesestoff, der einige Jahrhunderte Studium umfasste: eine Mischung aus Mythologie, Aberglauben, Vermutungen und Wissenschaft. Die Schwierigkeit lag darin zu unterscheiden, was erwiesen war und was erdichtet. Auch hier stimmten alle in einigen Dingen überein: einmal ein Dunkelmagier, immer ein Dunkelmagier. Silbmagie wurde gewöhnlich von den Eltern auf das Kind übertragen. Dunkelmagie war boshafter. Ein Dunkelmagier jedweden Geschlechts hatte Kinder mit Dunkelmagie, schien aber überhaupt nur dann Kinder zu bekommen, wenn die Frau eine Silbbegabte oder Dunkelmagierin war. Bei einer Verbindung mit einer gewöhnlichen Frau wurden gar keine Kinder gezeugt, aber sofern man den Texten glauben konnte, mochte dies auch damit zu tun haben, dass gewöhnliche Frauen eine sexuelle Begegnung mit einem Dunkelmagier selten überlebten.
Wenn sich die Silbbegabten mit gewöhnlichen Leuten paarten, gab es keine absolute Gewähr, dass das Kind auch silbbegabt sein würde, auch wenn es so schien, als wäre das in neun von zehn Fällen der Fall. Weißbewusstsein wiederum schien sehr viel zufälliger aufzutreten, wenngleich es innerhalb der Familien vererbt wurde und in einigen Gebieten auch häufiger vorzukommen schien als in anderen. Wie auch immer, es sah so aus, als würde es keine festen Regeln geben: Kinder mit Weißbewusstsein konnten überall auf den Inseln in Familien geboren werden, in denen ansonsten kein Weißbewusstsein existierte.
Zwei Wochen, nachdem Glut und die anderen aufgebrochen waren, stieß ich auf ein interessantes Papier über Dunkelmagier, das die Überschrift trug: Eine Abhandlung über einen Vergleich. Vier Fallstudien von Dunkelmagiern im Vergleich mit bekannten Silbbegabten. Der Bericht war hundert Jahre zuvor von einem nichtsilbischen Arzt in Quillerhaven geschrieben worden und erklärte, dass ein Dunkelmagier alles tun konnte, was auch ein Silbbegabter tun konnte, wenn auch manchmal nicht so gut. Die Illusion eines Dunkelmagiers konnte es zum Beispiel niemals mit dem aufnehmen, was einem Silbbegabten möglich war. Er konnte sich selbst mit Illusionen verbergen, aber das war auch schon fast alles. Wie auch immer, ein Dunkelmagier konnte zerstörerische Magie heraufbeschwören, die die Macht eines Silbbegabten überstieg. Er konnte jemanden mit
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