Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
drängte mich immer wieder, nach einem Weg zu suchen, ihr zu helfen. Wenn sie schlief, nahm ich ihn mit und ließ mich von ihm weiter in der Sprache der Dunstigen unterrichten. Ich arbeitete hart daran; die Komplexität und Kombination aus Körpersprache und Lauten faszinierten mich. Tatsächlich faszinierte mich vor allem die Vorstellung, dass es eine Vogelart geben sollte, die über die gesamten Ruhmesinseln verstreut war und deren Entstehen bis in die Zeit zurückreichte, da die Dunstigen Inseln unter der Wasseroberfläche verschwunden waren. Ich glaubte es allerdings trotzdem nicht. Dass sie einmal menschlich gewesen sein sollten, meine ich. Nach dem, was ich wusste, und was Garwin mir erzählt hatte, schienen die Mythen die seltsame Tendenz zu haben, im Laufe der Zeit Wirklichkeit zu werden. Die Calmenter dachten, ihre Berge wären von einem Drachen ausgehustet worden; die Venner glaubten, sie würden von fischschwänzigen Kreaturen abstammen, die als Merwesen bezeichnet wurden. Die Plitschen schworen, dass ihre Inseln die Überreste eines dritten Mondes waren, der einmal ins Wasser gefallen war. Auch diese Geschichten glaubte ich nicht.
Glut verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, sich mit dem enorm langen Schwert zu beschäftigen; sie trainierte, wie ich vermutete. Die anderen Passagiere machten einen großen Bogen um sie und murmelten leise etwas von einem schamlosen Mischlingsflittchen. Sie musste von einem Meister ausgebildet worden sein, denn ich konnte erkennen, wie sie die einzelnen Muskelgruppen ihres Körpers systematisch durcharbeitete. Als Arzt konnte ich nicht anders, als den durchtrainierten Zustand ihres Körpers und die Hingabe, mit der sie sich um ihn kümmerte, anzuerkennen. Ich bin ein großer Mann, stark und geübt, und als Arzt der Himmelsebene war ich viel geritten, aber wenn ich mich bewegte, war es viel wahrscheinlicher, dass ich über irgendein Möbelstück stolperte, das in meiner Reichweite war, als dass ich Anmut und Geschmeidigkeit zeigte. Glut dagegen war schnell und geschmeidig, und sie bewegte sich fließend und anpassungsfähig, so dass es eine Freude war, ihr zuzusehen. Als ich ihr das sagte, erwiderte sie: » Was Ihr da seht, ist das, was in meinem Tätigkeitsfeld den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmacht.«
» In Eurem Tätigkeitsfeld?«
Sie zögerte etwas. Ich vermute, es war nicht mehr leicht, diese Frage zu beantworten, seit sie die Anstellung bei den Wahrern aufgegeben hatte. » Problemlöserin«, sagte sie schließlich. » Reisende Abenteurerin. Vernichterin von Dunkelmagie.«
Sie sagte das so nebenbei, aber die Worte berührten irgendetwas in mir. Ich begriff, dass wir uns in gewisser Weise gar nicht groß unterschieden. Wir wurden beide von jemandem gejagt. Wir waren beide zu einer Art Exil verdammt. Ihr enthielt man wegen ihres bürgerrechtslosen Status eine Heimat vor; ich war aus meiner verbannt worden. Die Ironie bei alldem war, dass sie der Grund für meine Verbannung gewesen war.
Mehrmals während unserer Seereise wurden meine Fähigkeiten als Arzt benötigt. Ich konnte zwar gegen die Seekrankheit nicht viel ausrichten – ebenso wenig wie Flamme mit ihrer Silbmagie –, aber es gab auch andere Krankheiten. Eines der Kinder an Bord bekam das Sechstage-Fieber; glücklicherweise wurde ich darauf aufmerksam, ehe es sich ausbreiten konnte, und ich hatte auch die nötigen Mittel bei mir, um es zu behandeln. Ein Matrose fiel aus der Takelage und brach sich den Arm. Es war ein hässlicher, mehrfacher Bruch, bei dem der Knochen freigelegt wurde. In der Himmelsebene wäre es reine Routine gewesen, die Holzsplitter zu entfernen, den Arm zu richten und die Wunde zu vernähen, aber auf einem Schiff, das unaufhörlich auf und ab schaukelte, und mit begrenzten Heilmitteln war es weit schwieriger. Dennoch war ich ziemlich sicher, dass ich es geschafft hatte und der Mann nicht nur seinen Arm behalten konnte, sondern auch seine alte Beweglichkeit zurückgewinnen würde. Glut half mir freudig als Assistentin; sie ging gelassen mit all dem Blut um und war offenbar fasziniert von dem, was ich tat. Sie stellte intelligente, tiefsinnige Fragen, und der Gedanke kam mir, dass sie eine gute Wundärztin geworden wäre.
Als die Versorgung des Armes vorüber war, warf sie mir einen nachdenklichen Blick zu, den ich als reuevolles Zugeständnis deuten konnte, dass sie sich geirrt hatte. Und ich hatte auch eine gute Vorstellung davon, worin. » Wieso so überrascht?«, fragte
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