Die Inselvogtin
schallend und schlug dabei mehrfach mit der Hand auf den Tisch. Damit konnte er Maikea jedoch nicht beeindrucken, sie war es gewohnt, für diese Idee ausgelacht zu werden.
»Meinetwegen kann er mich auch als Gehilfin des Vogtes einsetzen. Es geht mir ja nicht um die Entlohnung, um die Rechte oder den Titel. Mir ist klar, dass dies alles einer Frau verwehrt bleiben wird. Ich will nur die Inselsicherung vorantreiben. Und dazu brauche ich eine Befugnis des Fürsten.« Sie schaute Weert an, mit ernstem Gesicht und ruhigem Blick.
»Und wohin willst du gehen, wenn der Fürst zustimmen sollte?«, fragte Weert, der sich inzwischen in seinem Stuhl zurückgelehnt und die Arme vor dem Bauch verschränkt hatte.
»Natürlich nach Juist! «
Weert schüttelte den Kopf.»Wie kannst du nur freiwillig auf diese gottverlassene Insel zurückkehren wollen, wenn du es hier viel komfortabler haben kannst? Die Verpflegung am Hofe ist nicht die schlechteste, du hättest ein Zimmer im Dienstbotentrakt und ein eigenes, wenn auch bescheidenes, Einkommen. Auf Juist wirst du in einer Hütte leben, wo der Regen durch die Decke tropft und sich Sand in jeder Ritze sammelt.«
»Es ist meine Heimat.«
»Buchweizengrütze statt Fasanenbraten? Brunnenwasser statt Wein?«
»Das ist mir nicht so wichtig.«
»Und du kennst dort doch keine Menschenseele mehr. Deine Mutter ist tot, der alte Pastor hat auch vor ein paar Jahren das Zeitliche gesegnet, und die restliche Bevölkerung wartet nicht gerade auf eine Frau, die sie zum Graspflanzen in die Dünen schickt.«
In dieser Hinsicht musste sie Weert recht geben. Hier auf dem Festland lebten die Menschen, die ihr ans Herz gewachsen waren. Josef Herz, von dem sie so viel gelernt hatte, dann Jantje, ihre Freundin, die sie nach all den Jahren nun endlich wiedergefunden hatte. Und natürlich der Weiße Knecht. Der Mann, der – obwohl er so merkwürdig und fremd war – einen wichtigen Platz in ihrem Leben eingenommen hatte. Sie alle würde Maikea verlassen müssen.
»Ich sehe, du zögerst?« Weert beugte sich wieder vor.»Maikea, ich will ehrlich zu dir sein: Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Die Lage in Ostfriesland ist alles andere als rosig, der Thron des Fürsten wackelt gewaltig. Und die Menschen, mit denen du die letzten Jahre verbracht hast, werden dir auch nicht immer die Wahrheit erzählt haben.«
»Was meinst du damit?«
»Du bist überhaupt nicht in der Lage, dich auf dieses politische Parkett zu begeben. Und die Sturmflutsicherung ist im weitesten Sinne ein politisches Feld, auch wenn du das nicht einsehen magst. Der Kampf zwischen dem Fürstenhaus und den Ständen ruht nur scheinbar, denn gerade jetzt nach dem Thronwechsel besteht die Gefahr, dass wieder Blut fließt. Der alte Fürst ist noch nicht in der Gruft, und der neue Fürst hat Angst vorm Regieren. In Emden verbünden sie sich mit den Preußen und stehen schon in Position, um Ostfriesland vollends zu übernehmen. Die Rebellen sind gefährlich, und der Kanzler ist es auch. Und du wärest auf einmal mittendrin, selbst wenn es dir eigentlich nur darum geht, ein paar Grashalme in den Sand zu setzen.«
Trotz ihres grundsätzlichen Misstrauens musste Maikea ihm die letzten Sätze einfach glauben. Sie waren beinahe identisch mit dem, was Josef Herz ihr vor ein paar Tagen gesagt hatte.
»Das mag ja alles sein. Aber es besteht dringend Handlungsbedarf! Wir müssen das neue Wissen so bald wie möglich anwenden, oder glaubst du, die nächste Sturmflut wartet ab, bis sich die Lage in Ostfriesland beruhigt hat?« Maikeas Wangen glühten.
»Nein, das wird sie nicht. Und wenn es nach mir ginge, dann könntest du jetzt gleich deine Koffer packen und nach Juist fahren. Ich würde dir sogar noch ein paar starke Männer an die Seite stellen, die dir bei der Arbeit helfen könnten.« Weerts Stimme war unaufgeregt und fest. Er schien zu wissen, wovon er sprach.»Aber es geht hier nicht um meinen oder deinen Willen. Es geht um Macht.«
Sie schwiegen beide einen Moment. Weert nutzte die Zeit, sich Wein nachzuschenken und das Glas erneut in einem Zug zu leeren.
»Und was sollen wir deiner Meinung nach tun, Weert Switterts?«
»Du kannst entweder zurückgehen zu deinem Lehrmeister und weiterhin schöne Karten malen. Oder du entscheidest dich, mein Angebot anzunehmen und hier am Hof deiner Arbeit nachzugehen. Ich könnte dir ohne weiteres einen Posten verschaffen, als fürstliche Beauftragte für den Insel- und Küstenschutz. Klingt
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