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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Sehstörungen und Mattigkeit, dann soll er sofort absetzen und sich bei seinem Leibarzt melden. In diesem Fall müsste man das Arsenikum niedriger dosieren.«
    Schon machte der Apotheker kehrt, beim Davoneilen hob er zum Gruß noch einmal den Arm.»Ihr habt mir und dem Kanzler einen großen Gefallen getan.«
    »Das mache ich gern «, antwortete Weert.
    Fest hielt er das Döschen in seiner Hand umklammert. Es war mehr als nur ein Medikament in seiner Hand. Es war ein ganz neuer Weg, der sich ihm auftat. Es war unglaublich, wie wohlgesinnt das Schicksal sich ihm immer wieder zeigte, dachte er.

7
    B randgeruch lag in der Luft, schon eine halbe Meile bevor Maikea genau sehen konnte, was passiert war. Die rußigen Überreste neben dem Deich glichen einem schwarzen Skelett. Erst blieb sie einen Moment fassungslos stehen und starrte auf die Ruine. Dann schrie sie auf und rannte los. Als sie die Stelle erreicht hatte, fasste sie in die Asche. Alles war kalt, der Wind pustete den grauen Staub auf.
    Maikea war zu spät gekommen. Viel zu spät.
    Zwei Bauern standen mit gesenkten Häuptern daneben. Sie kamen aus dem nahe gelegenen Ort, Maikea kannte sie vom Sehen. Sie lief zu ihnen, schaute sie fast flehend an.»Was ist mit Josef Herz? Hat einer von euch den Kartenmaler gesehen?«
    Sie schüttelten langsam die Köpfe.»Er ist tot.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Man sagt, eine Horde Soldaten sei vor drei Tagen hier gewesen. Nicht die Salvegarde, sondern die von der wilden Sorte, mit denen man sich lieber nicht anlegen will.«
    »Die Männer des Kanzlers?«, fragte Maikea weiter, obgleich sie wusste, darauf konnten die Bauern ihr keine Antwort geben. Aber das brauchten sie auch nicht. Weert hatte gesagt, dass Brenneysen in der Lage war, jeden zu finden. Und durch ihr unerwartetes Auftauchen in der Kanzlei hatte Maikea diesen grausamen Männern den Weg hierher gewiesen. Zu den vermeintlichen Rebellen. Aber Josef Herz war ein einsamer, friedlicher Mann, und er war allein zu Hause gewesen. Was konnte ein schwacher, alter Kartenmaler schon gegen eine Horde Soldaten ausrichten? Warum hatte sie sich nur so dumm verhalten? Warum hatte sie nicht auf ihn gehört und war bei ihm geblieben, anstatt nach Aurich zu reisen?
    »Mein Weib sagt, kurz nach den Soldaten ist ein Fremder auf einem schwarzen Friesen aufgetaucht. Und dann hätte es gebrannt. Lichterloh. Der alte Jude war nicht mehr zu retten.«
    Maikea schreckte auf. Der Mann musste der Weiße Knecht gewesen sein. Hatte er Josef Herz womöglich doch noch gerettet?
    Der Bauer stocherte mit einem Stock in der Asche.»Ist nichts mehr übrig. Kein Werkzeug, kein Stein, den man noch zu etwas gebrauchen könnte. Ein schrecklicher Brand.«
    Der andere seufzte.»Ja, so schnell holt einen der Teufel!«
    »Wie kannst du so etwas sagen, Wegbold? Der Kartenmaler war ein anständiger Mensch, wenn er auch kein Christ war.«
    »Weißt du nicht? Es heißt, er steckte mit den Rebellen unter einer Decke!«
    »Wer sagt das?«, mischte Maikea sich ein.
    »In Westerbur geht schon lange das Gerede. Und die Soldaten haben meiner Frau erklärt, der alte Jude sei ein Landesverräter gewesen. Deshalb habe man ihn aufgesucht.«
    Der Bauer schaute Maikea genauer an.»Aber du kennst Josef Herz doch besser als wir alle zusammen. Du bist doch das Mädchen, das bei ihm gewohnt hat. Erzähl uns, war er einer von denen?«
    Maikea standen die Tränen in den Augen, und ihr Hals war so trocken, dass sie befürchtete, kein Wort herauszubringen.»Ich habe bei ihm das Kartenmalen erlernt «, krächzte sie.»Und ich habe ihm im Haushalt geholfen. Er war der friedlichste Mensch, den ich kannte!«
    Dann drehte sie sich um und ging zum Deich. Große, schwarze Vögel saßen auf dem grünen Wall und flatterten nur träge zur Seite, als sie durch die Kolonie hindurchschritt. Normalerweise versammelten sich hier die prächtigen Silbermöwen und kreischten gegen den Wind. Diese dunklen Federtiere jedoch erweckten bei Maikea den Anschein, dass sie zum Trauern gekommen waren.
    War Josef Herz tatsächlich tot?
    Maikea hatte noch eine schwache Hoffnung: Wenn der Weiße Knecht da gewesen war, dann bestand doch immerhin die Möglichkeit, dass er noch rechtzeitig gekommen war und den alten Mann gerettet hatte. Sie musste zu ihm. Sie musste so schnell wie möglich zum Weißen Knecht. Es gab jetzt ohnehin keinen Ort mehr, an dem sie bleiben konnte, denn das Haus des Kartenmalers war auch ihr Zuhause gewesen. Nun waren nur noch verkohlte

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