Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Intrige

Titel: Die Intrige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
Vom Netzwerk:
Katherine war so gut wie unsichtbar und saß in völliger Dunkelheit – trotzdem machte sie sich Gedanken über ihr Aussehen.
    »Es waren nur ungefähr fünf Haare«, frotzelte Jonas. »Damit kannst du dich immer noch für die Miss-Amerika-Wahl qualifizieren.«
    »Falls wir jemals nach Amerika zurückkommen«, stöhnte Katherine.
    Am liebsten hätte Jonas gescherzt: »Ich weiß von drei Schiffen, die in neun Jahren in diese Richtung fahren. Und neun Jahre müssten doch Zeit genug sein, umvon England nach Spanien zu kommen und Christopher Kolumbus kennenzulernen!« Aber ihm war im Moment nicht nach Scherzen zumute. Katherine schniefte im Dunkeln. Na wunderbar.
Weinte
sie etwa? Warum machten Mädchen so etwas? Was sollte er jetzt tun?
    Dann hörte Jonas Chip murmeln: »Ist schon gut. Es ist niemand was passiert.«
    Es war natürlich zu dunkel, um irgendetwas zu sehen, aber Jonas hatte das dumpfe Gefühl, dass Chip gerade den Arm um Katherine gelegt hatte.
    »Alex?«, fragte er leise, um sich von dem Gedanken an Chip und Katherine abzulenken. »Alles klar bei dir?«
    »Na sicher. Es gibt nichts Schöneres, als mit Fackelträgern Blindekuh zu spielen«, sagte Alex sarkastisch. »Und so richtig spannend werden Spiele doch erst, wenn einem die Liquidierung droht und der Tod vor Augen steht, findest du nicht? Einfach genial, der Adrenalinstoß.«
    Jonas war sich nicht sicher, was »Liquidierung« bedeutete, aber er hatte so eine Ahnung.
    »Na ja«, sagte er, »wir haben alle überlebt.«
    »Mit knapper Not«, sagte Alex. »Für den Moment. Aber so können wir nicht weitermachen – einfach nur von einer Krise auf die nächste reagieren. Wir müssen die Sache in die Hand nehmen. Agieren, statt immer nur zu reagieren. Wir brauchen einen Plan.«
    »Gut«, sagte Jonas. »Was schlägst du vor?«
    »Hm …«, sagte Alex.
    »Äh …«, sagte Chip.
    Katherine schniefte nur, diesmal lauter und wesentlich unglücklicher.
    Was sollten sie nur tun?

Zwölf
    Sie schliefen ein.
    Das war natürlich absurd, weil sie immer noch in Gefahr schwebten. Sie hockten am Ort eines Verbrechens. Sie waren unsichtbar, wussten aber weder, wie das funktionierte, noch, wie lange es anhalten würde. Sie hatten die Zeit bereits vermurkst und es schien unmöglich, sie zu reparieren.
    Doch sie waren mehr als fünfhundert Jahre in der Zeit zurückgereist, hatten sich mit der Zeitkrankheit abgeplagt und vermutlich zwei Morde mit angesehen, waren von HK hintergangen worden und nur mit knapper Not dem Tod durch Verbrennen oder ihrer Entdeckung entkommen, und irgendwie waren sie zu nichts anderem mehr in der Lage, als zu schlafen. Eben noch hatte Jonas mit verzweifelten Gedanken an der Wand gehockt (Wir brauchen einen Plan, mir fällt keiner ein, es ist unmöglich, aber wir brauchen doch einen Plan …), und schon war es Morgen und die Sonne strahlte durchs Fenster.
    Die Sonne strahlte auch durch ihn.
    »Wie seltsam«, murmelte Jonas.
    Am helllichten Tag so gut wie unsichtbar zu sein bedeutete, dass Jonas keinen Schatten warf und dass das einfallende Sonnenlicht den Boden unter seinen Füßen – genau wie unter Chip, Alex und Katherine – ebenso aufleuchten ließ wie die freie Bodenfläche daneben. Es war, als wäre man aus Glas.
    Jonas berührte mit seiner glasartigen Hand seine glasartigen Beine. Alles fühlte sich normal an, wie Jeansstoff und – er fuhr mit der Hand hinab zu der Lücke zwischen dem Hosenbein und dem Rand seiner Socke – ganz normale Haut. Und doch überkamen ihn beim Anblick seiner durchsichtigen Kleider und seines durchsichtigen Körpers wieder Übelkeit und Schwindel, als seien die schlimmsten Auswirkungen der Zeitkrankheit zurückgekehrt.
    »Chip?«, flüsterte er. »Katherine? Alex?«
    Die anderen rührten sich nicht. Im Tiefschlaf sahen sie aus wie Kristallfiguren, die so fein und mit solcher Liebe zum Detail gearbeitet waren, dass sie sogar kristallene Wimpern besaßen. Jedes einzelne von Katherines langen Haaren war klar definiert und ringelte sich um ihr Gesicht, weil der Gummi ihres Pferdeschwanzes heruntergerutscht war. Jonas glaubte sogar, eine Strähne erkennen zu können, die kürzer war als die anderen – jene Strähne, die gebrannt hatte.
    Benommen schloss er die Augen. Gestern Nacht hatte er keine Zeit gehabt, Angst zu empfinden, abernun kam alles zurück: die knisternden Flammen, die schwingenden Fackeln, die Gefahr.
    Das Geräusch von Schritten holte ihn in die Gegenwart zurück. Er machte die Augen auf: Ein

Weitere Kostenlose Bücher