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Die Intrige

Titel: Die Intrige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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ganze Zeit über dort oben?«, fragte er. »Mitten in der Luft? Das ist nicht fair. Wir wussten nicht, dass ihr auch die Schwerkraft außer Kraft setzen könnt.«
    »Die Schwerkraft lässt sich leichter außer Kraft setzen als die Zeit«, sagte HK. »Aber das erkläre ich euch ein andermal. Seht her.«
    Er richtete den Definator auf die mittelalterliche Szenerie an der Wand. Sofort begannen sich alle schneller zu bewegen, so, als würde man eine DVD vorspulen. Chip, Alex, die Prinzessinnen und die Königin schossendurch ihr kleines Zimmer, schliefen, wachten auf, aßen, unterhielten sich mit Gästen, schliefen, wachten auf, aßen …
    »Selbst mich macht dieses Zimmer langsam klaustrophobisch«, murmelte HK. »Moment, Moment, hier, jetzt schickt die Königin die Jungen fort, an einen sicheren Ort.«
    Die Szene verlangsamte sich kurzfristig, während Chip und Alex in stockdunkler Nacht unter Decken versteckt auf einen Karren gehievt wurden. Der rumpelte dann in aller Eile über zerfurchte Straßen aufs Land hinaus. Jonas sah sie ein letztes Mal fröhlich durch ein Feld rennen und mit Holzschwertern spielen, bevor das Bild verschwamm.
    »Das machen sie in den nächsten Monaten öfter«, sagte HK. »König Richard hat währenddessen nicht ganz so viel Spaß dabei, seine Macht zu festigen.« Das Bild wechselte und zeigte einen grimmig dreinblickenden König. »Sein Freund Buckingham hintergeht ihn vier Monate nach der Krönung.«
    Jonas sah Männer, die sich über auf Tischen ausgebreitete Schlachtpläne beugten. Soldaten scharten sich zusammen und flüsterten sich verräterische Pläne zu.
    »Angeblich will Buckingham nun einen Rivalen um den Thronanspruch unterstützen, Heinrich Tudor, der sich in Frankreich im Exil befindet. Aber stimmt das tatsächlich? Oder will Buckingham in WirklichkeitChip wiedereinsetzen?«, rätselte HK. »Buckinghams Frau ist Chips Tante, die Schwester seiner Mutter.«
    Merkwürdigerweise schienen es die versammelten Soldaten mehr mit Sturzregen und Überschwemmungen zu tun zu haben als mit einer Schlacht.
    »Die Rebellion geht in gewaltigen Unwettern unter«, psalmodierte HK weiter. »König Richard lässt Buckingham hinrichten.«
    Wieder erschien König Richard. Er verlangte nicht den Tod seines Freundes und sah auch nicht seiner Hinrichtung zu, sondern saß versteinert an einem Tisch und starrte in die Ferne. Er war mutterseelenallein.
    Das Bild wechselte zu einem Fest, auf dem Menschen fröhlich tanzten und speisten.
    »Oh, wartet, ich spule ein wenig zurück. Ich habe vergessen, euch einen der glücklichsten Augenblicke von König Richards Herrschaft zu zeigen«, sagte HK. »Er ernennt seinen Sohn zum Prinzen von Wales, zum Thronfolger.«
    Ein zerbrechlich wirkender blonder Junge von sieben oder acht Jahren blickte mit strahlendem Lächeln vom Ehrenplatz des Festes in die Menge. Unheimlicherweise sah er Chip und Alex sehr ähnlich, nur jünger und zerbrechlicher. Sein Vater tauchte hinter ihm auf und schlug ihm vor Stolz kräftig auf den Rücken. Der schwächliche Junge sackte beängstigend in sich zusammen, offensichtlich war der Schlag viel zu fest fürseine zarten Knochen. Trotzdem drehte er sich um und lächelte Richard zu.
    »Sieben Monate später stirbt der kränkliche Junge«, berichtete HK. »Richard und seine Frau haben keine anderen Kinder und seine Frau ist zu krank, um ihm weitere Thronerben zu gebären.«
    Jetzt sah Jonas den schluchzenden König neben einem Bett. Er umklammerte die dünne, knochige Hand einer Frau und rief: »Anna! Anna! Oh, bitte nicht …«
    »Richards Frau stirbt ein knappes Jahr nach ihrem Sohn«, sagte HK. »Richard ist untröstlich.«
    Weitere Szenen mit einem schluchzenden Richard, der Gott auf Knien anfleht: »Sind meine Sünden der Grund, Herr? Sind sie unverzeihlich? Ist dies meine Strafe? Was willst du, das ich tue?«
    »Bitte«, mischte Katherine sich dazwischen. »Müssen wir uns das ansehen? Er fängt an, mir leidzutun. Das macht es ziemlich schwer, ihn weiter zu hassen.«
    HK hielt die Szene mit dem gramgebeugten König an. Jonas konnte jede einzelne Träne erkennen, die ihm über das Gesicht lief, jede noch so tiefe Furche auf seiner gequälten Stirn. Katherine hatte recht: Es war unmöglich, für einen so sichtlich gepeinigten Menschen kein Mitleid zu empfinden.
    »Warum müsst ihr ihn unbedingt hassen?«, fragte HK ruhig.
    »Er ist doch der Feind, oder nicht?«, fragte Katherine zurück.
    »Ist er das?«, erwiderte HK mit gerunzelter Stirn.

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