Die Invasion - 5
Marines an Land gegangen. Dairos hätte unmöglich fünfzigtausend Mann aufnehmen können, selbst wenn die Bürgerschaft über deren Kommen erfreut gewesen wäre. Abgesehen von einer bewusst klein gehaltenen Garnison, deren Hauptaufgabe darin bestand, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, waren die charisianischen Truppen durch die Stadt hindurchgeströmt wie Wasser durch ein Sieb. Erst außerhalb der Stadtgrenzen hatten sie mehrere große, ordentliche Feldlager errichtet. Bisher hatten sich die Männer außerordentlich diszipliniert verhalten. Das lag zum Teil sicherlich auch daran, dass sie bislang noch in keine richtigen Gefechte verwickelt gewesen waren. Das bedeutete, dass sie bislang noch keine Verluste hatten hinnehmen müssen, für die sie sich möglicherweise an der Bevölkerung würden rächen wollen. Doch zum Teil lag es gewiss auch daran, dass die Kaplane sie mit Adleraugen beobachteten und die Offiziere ihnen mit Nachdruck erläutert hatten, wie wichtig es sei, den Propagandamühlen der ›Vierer-Gruppe‹ keinesfalls durch Berichte über Gräueltaten neues Futter zu liefern.
Natürlich gab es da auch noch die recht blutrünstigen Regeln für das Schlachtfeld, die Kaiser Cayleb, Admiral Lock Island und General Chermyn aufgestellt hatten. Jeder Mann der Invasionsstreitmacht hörte diese Regeln mindestens einmal in jedem Fünftag. Sie wurden beim Antreten laut verlesen. Und niemand zweifelte auch nur im Geringsten daran, dass Cayleb und seine Kommandeure jede der strengen Strafen auch verhängen würden, sollte jemand gegen diese Regeln verstoßen.
Versorgungsgüter wurden weiterhin regelmäßig an Land gebracht. Es gab in Dairos einiges, was für den Ort sprach, einschließlich recht beeindruckender Strände - falls jemandem der Sinn danach stehen sollte, eine kurze Runde schwimmen zu gehen. Doch mit Tellesberg konnte sich Dairos nicht vergleichen. Der Platz in den Werften war knapp bemessen; die Lagerhäuser waren ungleich kleiner und dünner gesät, und abgesehen von einer oder zwei Hauptverkehrsadern waren die Straßen von Dairos deutlich schmaler und beengter. All das zusammen machte die Stadt zu einem einzigen logistischen Engpass.
Caylebs Planungsstab und er hatten diesen Umstand berücksichtigt, auch in ihrem ursprünglichen Zeitplan. Die kaiserlichen Ingenieure waren damit beschäftigt, neue Kais anzulegen und die bereits bestehenden zu erweitern. Einige der öffentlichen Gebäude wurden abgerissen, um die Straßen zu erweitern und den Verkehrsfluss zu verbessern. Das Erstaunen der Eigner dieser Gebäude, als Cayleb darauf bestand, sie für ihren Verlust zu entschädigen, war beinahe körperlich spürbar gewesen. Doch das hatte sie nicht davon abgehalten, diese Entschädigung mit Feuereifer entgegenzunehmen. Oder sich bei ihren Nachbarn lautstark darüber zu beklagen, wie knauserig die Bezahlung doch gewesen sei.
Die Pferde und Last-Drachen der Invasionsstreitmacht brauchten ohnehin ein wenig Zeit, sich wieder an das Leben an Land zu gewöhnen. Darum hatten Cayleb und seine Berater von vornherein mindestens einige Fünftage veranschlagt, um sich in Dairos erst einmal ein wenig einzurichten. In dieser Zeit konnten die Tiere sich erholen und weitere Versorgungsgüter an Land gebracht werden. Cayleb hatte allerdings nicht bedacht, wie wenig Lagerplatz die Stadt doch bereithielt. Daher wurden deutlich mehr der Versorgungsgüter lediglich unter Planen verstaut und nicht etwa unter vernünftigen Dächern untergebracht, als ihnen allen lieb sein konnte. Diese Vorstellung war nicht gerade angenehm; schließlich war es die Jahreszeit der heftigsten Stürme. Doch wenigstens hatte man fast die Hälfte der Truppentransporter wieder nach Port Royal zurückschicken können, eskortiert von einem Drittel der chisholmianischen Galeeren. Damit war der Hafen schon einmal deutlich weniger überfüllt. Die Küstenpatrouille, die Chermyn organisiert und sorgfältig für den Dienst als Militärpolizei geschult hatte, sorgte dafür, dass an Land alles weitgehend reibungslos ablief und es relativ friedlich blieb, während die Truppen sich vorbereiteten.
Gahrvai hatte unterdessen einen Großteil seiner achtzigtausend Mann starken Truppen in der Nähe des Talbor-Passes zusammengezogen, bevor er mit seiner Vorhut weiter nach Osten vorstieß. Weitere fünfundzwanzigtausend Mann waren auf dem Weg, sich ihm anzuschließen. Sie würden innerhalb des nächsten Fünftages eintreffen. Sobald das geschehen wäre, war Gahrvai Caylebs
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