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Die Invasion - 5

Titel: Die Invasion - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Schreibtisch lag.
    Im Gegensatz zu vielen der Briefe, die durch ihre Hände gingen, war dieser unverschlüsselt, auch wenn darin immer wieder Schlüsselworte und Codenamen erwähnt wurden, die für die meisten Leser ohne jede Bedeutung gewesen wären. Abgefasst war das Schreiben in sauberer Blockschrift, nicht handschriftlich. Aber Ahnzhelyk erkannte dennoch Samyl Wylsynns charakteristische Formulierungen. Sie vermutete, es wäre wohl sinnlos gewesen, den Brief zu verschlüsseln, wenn ihm eine vollständige Abschrift der Jahresansprache des Großvikars beilag. Es gab ja schließlich nur eine Hand voll Personen, von denen dieser Brief stammen konnte.
    Ahnzhelyk legte das einzelne Blatt wieder auf ihren Schreibblock und schaute durch die vereiste Fensterscheibe zu den schneebedeckten Straßen der Stadt hinaus.
    Von dem Platz aus, auf dem sie saß, konnte sie es zwar nicht sehen, doch sie wusste genau, dass Rauch aus dem Kamin der kleinen Hütte aufstieg, in der ihr Gärtner im Sommer normalerweise verschiedene seiner Gerätschaften aufbewahrte. Wie sie es gewohnt war, hatte sie im Winter diese Hütte einigen der Ärmsten aus Zion als Wohnraum zur Verfügung gestellt. Für das Klima, das in Zion herrschte, war das schon wenig genug. Aber wenigstens hatte sie dafür gesorgt, dass die Wände wind- und wasserdicht waren, und sie achtete heimlich auch darauf, dass der Kohleeimer neben der kleinen Tür gut gefüllt blieb. Ahnzhelyk wusste nicht, wie viele einstweilige Gäste sie in diesem Winter angezogen hatte. Sie wusste jedoch sehr wohl, dass man, sobald der Schnee der Stadt endlich geschmolzen wäre, zumindest einige Leichen darunter entdecken würde. So war es immer, und die meisten von ihnen fanden sich in der Nähe der Lüftungsschächte des Tempels, deren Abwärme die eisige Kälte zumindest ein wenig vertrieb.
    Ahnzhelyks lieblich geschwungener Mund verzog sich voller Abscheu angesichts dieses Gedankens, und der Zorn war in ihren ausdrucksstarken Augen deutlich zu lesen. Sie dachte an Großvikar Ereks Ansprache und all die Verdammnis, die man über die abtrünnigen Ketzer aus Charis und Chisholm auszuschütten bedacht war - und ›man‹, das waren die Männer, die in den luxuriösen Annehmlichkeiten des Tempels lebten. Männer, die noch nie Hunger oder Kälte hatten erleiden müssen, die nicht ein einziges Mal an all die bemitleidenswerten Armen dachten, die verzweifelt versuchten, für das eigene Überleben und das ihrer ganzen Familien zu sorgen, indem sie sich um die Luftschächte dieses prächtigen Bauwerks scharten. Ahnzhelyk wusste ganz genau, was sie letztendlich dazu gebracht hatte, sich den Reformisten Samyl Wylsynns anzuschließen - und es war nicht nur ein einziges Ereignis gewesen, nicht nur eine einzige Erkenntnis.
    Ihr eigenes Lebens, die wohl überlegte Zurückweisung ihres Vaters, der sie schlichtweg verleugnete - und die Macht seines Amtes gestattete ihm, genau das zu tun -, hatten sie für eine derartige Auflehnung geradezu prädestiniert. Das wusste sie wohl und gab es auch offen zu. Doch es gab so viele verschiedene Möglichkeiten, die sie hätte wählen können, um sich aufzulehnen. Natürlich hätte sie auch einfach verschwinden können, versinken in der Unsichtbarkeit, eine weitere verstoßene uneheliche Tochter, die Zuflucht in der Berufung zur Nonne suchte. Selbst ihre Adoptiveltern hatten sich zweifellos gewünscht, sie könne sich mit einem derartigen Schicksal abgeben. Doch ihre geliebte ältere Schwester hatte es schon immer besser gewusst.
    Aber diese Auflehnung hatte schließlich Form angenommen, war nach und nach gewachsen, genährt in der ruhigen Stille ihres eigenen Verstandes und ihrer Seele, während sie den unglaublichen Luxus der großen Kirchendynastien kennen gelernt hatte - und das in einer Stadt, die doch angeblich ausschließlich dem Dienste an Gott gewidmet war. In einer Stadt, in der sich in jedem Winter Hunger und Kälte ihre Opfer holten, in Sichtweite des Tempels selbst. Das hatte Ahnzhelyk die Augen für die innere Verderbtheit der Kirche geöffnet, hatte sie auf die beiläufige Gefühllosigkeit der Kirche in ihrer Gesamtheit aufmerksam gemacht. Es war nicht nur dieser widerwärtige Mann gewesen, den sie wohl oder übel ihren Vater schimpfen musste. So sehr dieser Mann auch die Macht und die Vorrechte seiner eigenen Geburt und seines Amtes missbraucht haben mochte, er hatte dies nur tun können, weil andere Männer, die über die Kirche herrschten und sie von innen

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