Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
ihm Raggi kein einziges Mal ins Wort. Er verfolgte sogar den Unterricht, ebenso wie Anna Lísa, denn es war wesentlich angenehmer, sich auf die Matheaufgaben zu konzentrieren, als ständig an den Schrotthaufen zu denken, der der Stolz der Firma gewesen war. Als es auf Mittag zuging, hatten sie die Aufgaben sogar verstanden.
Als die Kinder gerade ihre Sachen zusammenpacken und gehen wollten, kam Dr. Guðgeir in den Raum gestürmt. Georg wurde ganz unruhig und gab der Klasse ein Zeichen, sich wieder zu setzen. Die beiden wechselten ein paar Worte, und dann sagte Dr. Guðgeir: „Ihr wart eben draußen, oder?“ Die Kinder nickten. „Habt ihr die Bauarbeiter gesehen, die am Rand des Grundstücks an dem Gehweg arbeiten?“ Die Kinder schüttelten den Kopf. „Seid ihr ganz sicher?“, fragte Dr. Guðgeir und sah sie scharf an. Die Kinder schüttelten wieder den Kopf, diesmal noch eifriger. „Na gut. Die Bauarbeiter haben anscheinend die eine DNA-Säule vorm Eingang kaputt gemacht. Ich weiß, dass sie noch ganz war, als ich eben kurz weggefahren bin und ihr gerade draußen wart. Als ich eine halbe Stunde später wieder zurückgekommen bin, war die Säule völlig demoliert. Die Bauarbeiter leugnen es natürlich, aber ich habe ein Beweisstück gefunden. Einen Stahlwinkel. Es wäre sehr gut, wenn ihr etwas bemerkt hättet.“ Er ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen. „Ihr habt nicht gesehen, wie ein Bauarbeiter mit einem Stahlwinkel zum Haus geschlichen ist?“ Alle schüttelten den Kopf. „Aber sie waren es trotzdem, sie haben etwas gegen uns. Sie haben auch etwas Beleidigendes über mich in den frisch asphaltierten Weg geschrieben.“ Raggi hoffte, dass niemand sah, wie er rot wurde.
Dr. Guðgeir hatte sich, auf seine Knöchel gestützt, über das Lehrerpult gebeugt und richtete sich nun wieder auf. „Wenn euch noch etwas einfällt, erwarte ich von euch, dass ihr mir Bescheid sagt. Noch steht Aussage gegen Aussage, und die Polizei weigert sich, die Bauarbeiter festzunehmen.“ Er ging zur Tür, blieb aber in der Öffnung stehen und fügte hinzu: „Ich wäre sehr froh, wenn ihr mir helfen könntet. Ich kann keine polizeilichen Ermittlungen in diesem Haus gebrauchen. Wir haben im Augenblick furchtbar viel zu tun. Bitte versucht, euch zu erinnern.“ Dann knallte er die Tür hinter sich zu.
„Tja, also“, sagte Georg und atmete aus, „was denken sich diese Männer eigentlich? Ich wusste, dass sie sauer auf Dr. Guðgeir sind, weil er ihnen verboten hat, die Toiletten hier im Haus zu benutzen, aber das ist ja nun wirklich kein Grund.“
„Bei Bauarbeitern weiß man nie“, sagte Raggi verschwörerisch. „Ich kenne einen Maurer, der ein Haus bauen sollte, und als sich der Hausbesitzer mit ihm über die Bezahlung gestritten hat, hat er in den Beton gepinkelt. Der Besitzer ist den Geruch nie wieder losgeworden.“ Anna Lísa stieß Raggi an und warf ihm einen bösen Blick zu. Dabei war die Geschichte gar nicht gelogen, der besagte Besitzer war nämlich Raggis Vater.
„Aha“, sagte Georg nachdenklich, „ob dieser Maurer auch an dem Gehweg arbeitet? Das sollte man vielleicht mal überprüfen.“ Er nahm seine Sachen vom Tisch und sagte dann: „Ihr bekommt Mittagessen im Speisesaal, aber lasst uns mal durch die Eingangshalle gehen. Ich bin neugierig, wie es draußen aussieht.“
Da war er nicht der Einzige. Die Kinder drängten nach draußen und rannten in die Eingangshalle, um die kaputte Säule zu sehen. Es sah noch schlimmer aus, als Anna Lísa, Raggi und Magga in Erinnerung hatten. Die anderen Kinder drängelten sich vor dem Fenster, und man hörte ein paar Mal „wow“, „cool“ und „krass“, bis Georg sie wieder zusammentrommelte, um sie in den Speisesaal zu bringen. Dabei kam ihm einer der Anzugjungen zu Hilfe, der einen Bauarbeiter entdeckte, der sich über den Gehweg an der Grundstücksgrenze beugte. Er schrie laut: „Bauarbeiter! Rennt weg! Da sind die Bauarbeiter!“ Panik brach aus, und die Eingangshalle leerte sich innerhalb von zwei Sekunden.
Sie leerte sich allerdings nicht ganz, denn Anna Lísa, Raggi, Magga und Arnar hatten keine Angst vor den Bauarbeitern. Sie wussten genau, dass die die Säule nicht kaputt gemacht hatten. Oh nein. Schön, wenn es so gewesen wäre. Niedergeschlagen folgten sie den anderen in den Speisesaal.
Das Experiment
Zum Glück gab es am ersten Tag des Ferienkurses kein weiteres Unglück. Das Mittagessen verlief ohne Zwischenfälle, jedenfalls fast.
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