Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
nachspionieren wollte. Oder diesem Sigmundur. Das wäre immerhin eine Abwechslung.
Nachdenklich ging Magga weiter zum Wasserautomaten. Sie füllte einen weißen Plastikbecher und trank ihn in einem Zug leer. Als sie den Becher in den Mülleimer werfen wollte, hörte sie plötzlich Dr. Guðgeirs Stimme. Magga schaute sich um, sah ihn aber nirgends. Sie ging der Stimme nach und stellte fest, dass sie durch die geschlossene Tür neben dem Wasserautomaten drang. Magga legte ihr Ohr an die Tür, konnte aber kein Wort verstehen. Deshalb drückte sie den Becher an die Tür und ihr Ohr an den Becher. Sie hatte mal irgendwo gelesen, dass das Geräusche anziehen würde, sogar durch eine Wand. Jetzt hörte sie tatsächlich besser. Dr. Guðgeir unterhielt sich mit jemandem, der wie seine Assistentin klang. Magga schaute nach rechts und links, aber es war niemand zu sehen. Sie lauschte weiter.
„Sie nehmen einfach jemanden, den Sie für diese Aufgabe geeignet halten“, hörte Magga Dr. Guðgeir sagen. „Ich muss Ihnen ja nicht sagen, wie wichtig das ist.“
„Ja, das ist mir durchaus bewusst“, entgegnete die Assistentin. „Das Suchgerät zeigt, dass es noch da ist. Ich verstehe das überhaupt nicht.“
„Nein, das ist völlig unverständlich“, sagte Dr. Guðgeir. „Hier betreibt eindeutig jemand Sabotage, aber wer es ist und was er damit erreichen will, ist mir ein einziges Rätsel.“
„Vielleicht ein Konkurrent? Eine ausländische Firma? Vielleicht haben sie von den Versuchen gehört und wollen uns aufhalten.“
„Wir können froh sein, dass dieser Jemand Hüpfer nicht gestohlen hat. Vielleicht wollte er es tun, und dabei ist Hüpfer weggelaufen“, meinte Dr. Guðgeir. „Wie dem auch sei, es ist wirklich wichtig, ihn zu finden. Machen wir uns ans Werk. Sie kennen sich doch mit dem Suchgerät aus, oder?“ Magga nahm an, dass die Assistentin nickte. „Und organisieren Sie dieses Fotoshooting. Die Amerikaner wollen ein Foto von dem Mädchen sehen. Kümmern Sie sich darum, dass sie gut aussieht.“
Magga hörte, wie ein Stuhl über den Boden geschoben wurde. Die Assistentin oder Dr. Guðgeir musste aufgestanden sein. Sie sprang von der Tür weg und stellte sich neben den Wasserautomaten. Im selben Moment, als Magga Wasser in den Becher laufen ließ, kam die Assistentin aus dem Zimmer. Sie marschierte an Magga vorbei, die erleichtert aufatmete. Da Magga keinen Durst mehr hatte, kippte sie das Wasser durch das Sieb über dem Ablauf. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und wollte zurück zum Klassenraum rennen.
Sie rannte Dr. Guðgeir direkt in die Arme. Magga wusste nicht, wie lange er schon dort gestanden hatte, aber anscheinend hatte er gesehen, wie sie das Wasser weggekippt hatte, denn er fragte: „Stimmt was nicht mit dem Wasser?“
„Äh, nein, nein“, antwortete Magga nervös. „Ich habe mir nur mehr genommen, als ich trinken konnte.“ Sie versuchte, nicht auf das Kaninchen zu starren, das er auf dem Arm hielt, aber es fiel ihr schwer, den Blick von ihm abzuwenden. Sie hätte schwören können, dass es Hüpfer war, das Kaninchen, das jetzt frei über den Öskjuhlíð-Hügel hoppelte. Es war schneeweiß, bis auf ein schwarzes Ohr. „Süßes Kaninchen“, sagte Magga, nur um etwas zu sagen.
„Süß? Wie meinst du das?“, fragte Dr. Guðgeir irritiert. Er hatte anscheinend noch nie darüber nachgedacht, ob das Kaninchen hübsch war, hielt es von sich weg und musterte es mit kritischem Blick. „Ja, kann man vielleicht sagen. Jedenfalls ist es nicht abstoßend.“
Magga lächelte verwirrt. „Nein.“ Dann fragte sie: „Wie heißt es denn?“
„Dieses? Es heißt Purzler. Aber das geht dich eigentlich gar nichts an. Das ist kein Haustier. Und jetzt geh schnell wieder zum Unterricht. Keine Trödelei.“
Magga drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zur Treppe und nach unten, denn sie hatte das Gefühl, dass Dr. Guðgeirs Blick sie verfolgte. Erst im Klassenraum wurde sie wieder langsamer. Was war hier eigentlich los? Hüpfer und Purzler, zwei identische Kaninchen, für die sich Dr. Guðgeir sehr interessierte. Ein geheimnisvoller Börsenmakler mit zweifelhafter Vergangenheit. Ihr Name und ihr Geburtsdatum auf einem Blatt Papier. Und das Neueste, ein Fotoshooting für irgendwelche Amerikaner. Magga nahm sich vor, alles, was sie herausgefunden hatten, auf ein Blatt zu schreiben und zu sehen, ob dadurch etwas klarer wurde. Hoffentlich.
Anna Lísa war wach, aber Raggi hockte
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