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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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Whisky geschlürft. Unternehmensberater, Investmentbanker und Topmanager, die ein Event-Weekend gebucht hatten und eine Menge Geld dafür hinlegten, in einem Selbsterfahrungskurs mit Anglerstiefeln bis zum Bauch im kalten Wasser zu stehen und ahnungslosen Lachsen aufzulauern. Für einen kurzen Moment hatten ihn Marmorbäder und Internetanschluss, Bibliothek und Rauchersalon gereizt, aber ihm war schnell klar geworden, dass die Preise sein Budget sprengten. So hatte er es bei einem feudalen Mittagsmahl belassen.
    Mangels echter Alternativen hatte er sich für ein Bed   &   Breakfast entschieden. An der Tankstelle in Foley hatte er gefragt und die Adresse der Witwe MacCormack erhalten, die am Ausgang des Dorfes wohnte und Zimmer vermietete. Er fand einen Bungalow aus den frühen achtziger Jahren, dessen große Panoramafenster über einen akkurat geschnittenen Rasen, ebenso akkurat gestutzte Büsche und weniger akkurat verblühte Astern auf eine weite Bucht hinausgingen. Im Garten die unvermeidliche Wäschespinne, auf deren Leine selbst bei strömendem Regen wenigstens ein einzelner Bettbezug die unermüdliche Hausfrau verriet. Auf einem Pfosten neben der Auffahrt zur Garage thronte eine kitschig bunte Marienstatue aus Gips, zu ihren Füßen ein Ewiges Licht. Hier würde man ihn gewiss nicht von der Schwelle weisen. Dennoch hatte ihn die Witwe MacCormack – fünfundsiebzig (geschätzt), hundertachtzig Pfund (über den Daumen gepeilt) und schwarzgefärbt (todsicher) – misstrauisch angesehen, als er vor ihrer Tür aufgekreuzt war. Die Urlaubssaison war längst vorbei, kein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verbrachte Anfang November seine Ferien an der rauen Nordwestküste, da pflichtete Fin ihr insgeheim bei. Aber schließlich hatte sie ihm doch ein Zimmer aufgesperrt, die Plastikschutzhülle vom Bett genommen und den Geruch von Mottenkugeln zum Fenster hinausgejagt. Ein gutes Geschäft ließ sich hier eben niemand entgehen. Wahrscheinlich tackerte sie in diesem Augenblick gerade den plüschigen blassgelben Bettvorleger auf dem Boden fest und nahm das vergoldete Kruzifix über dem Bett herunter. Nicht dass sie ihm nicht über den Weg traute …
    Er hatte seine Reisetasche abgestellt, sich mit seiner Straßenkarte bewaffnet und war wieder ins Auto gestiegen. Erst mal wollte er die Gegend erkunden und war einfach der Straße nachgefahren. Am Kap vorbei mit dem alten Leuchtturm, immer die kurvenreiche Küste entlang bis ein Schild am Straßenrand ihn auf dieses touristische Highlight aufmerksam gemacht hatte.
    Vom Parkplatz führte ein schmaler Trampelpfad durch Gras und Heidekraut bis zum Rand der Dünen. Er spazierte eine Weile über den Strand, die Hände in den Taschen vergraben. An manchen Stellen hatten Wind und Meer den nackten Fels unterm Sand freigefegt, im Dunst konnte er in der Brandung verborgene Riffe erahnen. Die Küste galt seit Menschengedenken als gefährlich. Vor Inbetriebnahme des Leuchtturms hatten die Menschen ihr karges Dasein aufgebessert, indem sie Schiffe mit falschen Lichtsignalen auf die Klippen lockten und ausplünderten. So auch die Einwohner von Foley. Das gälische Wort für Pirat lautete nicht von ungefähr   foghlai  …
    Muscheln knirschten unter seinen Schuhen, als er den Hinterlassenschaften der allgegenwärtigen Schafe auswich. Der Spülsaum lag voller Treibgut. Im vertrockneten Tang hatten sich Reste eines Fischernetzes verfangen, etwas weiter lag eine Holzplanke, die wahrscheinlich schon seit hundert Jahren im Salzwasser badete. Hier ein rosa Flipflop mit abgerissenem Riemen, dort die unvermeidliche Plastikflasche, grün von Algen. Auch an den abgelegensten Stränden war man nicht sicher vor Zivilisationsmüll.
    Da stand er, mitten im trostlosen Nichts, und betrachtete ein paar verwitterte Felsbrocken. Er fragte sich, ob diese Trauergesellschaft dieselben Mönche darstellen sollte, die damals im achten Jahrhundert zu neuen Ufern aufgebrochen waren. Der Ausflug schien ihnen nicht bekommen zu sein, irgendwie sahen sie aus wie eine Schar Schiffbrüchiger, die sich mit letzter Kraft ans rettende Ufer schleppte.
    Zähe Nebelschwaden zogen in die Bucht, das Meer war kaum noch zu erkennen. Es war wie in einer Waschküche, nur kälter. Fin gönnte sich den letzten Schluck Whisky, verschloss mit klammen Fingern die leere Flasche und ließ sie wieder in die Jacke zurückgleiten. Dann machte er kehrt und stapfte zurück zum Parkplatz.
    Der Strand erbebte.
    Fin drehte

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