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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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Schluck Wein, als brauchte sie Zeit zum Überlegen. »Ich kann dir nicht sagen, was vor zehn Jahren passiert ist. Wenn Tommy tatsächlich noch lebt, wo hätte er sich all die Jahre verstecken sollen? Hier in Foley bestimmt nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bitte dich, hier haben sie immer als Erstes nach ihm gesucht.«
    »Ich finde, Foley ist ein gutes Versteck. Der beste Platz für jemanden wie Thomas Keane.« Fin stand auf und schenkte Wein nach. »Wo versteckt man eine gestohlene Kuh besser als in einer Rinderherde?« Allmählich spürte er den Alkohol. Er musste aufpassen, er wollte sich nicht noch so ein Blackout leisten.
    »Und Jack?«
    »Was soll mit Jack sein?«
    »Seit zehn Jahren in der Versenkung verschwunden.«
    »Wenn er schlau ist, dann bleibt er auch dort.«
    Er hörte Sympathie in ihrer Stimme. Wer in Foley hatte die nicht für diesen Robin Hood?
    Er beschloss, sich auf unsicheres Terrain vorzuwagen. »Du warst verheiratet?«
    »Wer behauptet das? Nora Nichols?«
    Fin schüttelte den Kopf. »Der örtliche Frauenverein. Fiona O’Grady von der Poststelle.«
    »Schnüffelst du hinter mir her?« Es klang eher belustigt als beleidigt.
    »Vielleicht.« Er lächelte.
    »Das ist lange vorbei.« Sie leerte ihr Glas. »Die uralte Geschichte. Mädchen vom Land trifft tollen Großstadttypen. Hab dann irgendwann festgestellt, dass er wohl doch nicht so toll war …« Sie ging nicht näher auf diesen Irrtum ein.
    Er nahm die Flasche, hockte sich vors Sofa und goss Wein in ihr Glas. »Und jetzt lebst du hier ganz alleine?«
    »Nicht ganz.«
    Er sah sie neugierig an.
    »Ich hab ein Pferd. Eine Katze …«
    »Die zählen nicht.« Dabei hätte er sonst was dafür gegeben, genau in diesem Augenblick anstelle der Katze zu sein. Das entrückte Schnurren übertönte mittlerweile das Bollern im Ofen.
    Er wagte sich noch einen weiteren Schritt vor. Er wusste, ab hier wurde es gefährlich. Aber er wusste auch, dass ihn der Alkohol jede Vorsicht vergessen ließ.
    »Nora Nichols behauptet, du seist eine männerverschlingende Meerjungfrau …«
    »Eine was?«
    »Eine Meerjungfrau.«
    »Und wie kommt sie zu dieser Überzeugung?«
    »Rote Haare. Grüne Augen.«
    »Und das reicht?«
    »Sieht so aus.«
    »Und? Glaubst du ihr?«
    »Vielleicht …«
    Er stürzte in die dunkelgrüne See. Er war betrunken. Hoffnungsvoll betrunken. Er fragte sich noch, ob er sie wohl rumkriegen konnte, als sie ihm zuvor kam.
    Sie beugte sich vor und küsste ihn.
    Die Wellen schlugen über ihm zusammen. Er schnappte nach Luft.
    Die rote Katze fand, dass es Zeit war, das Feld zu räumen.
    Fin wehrte sich nicht gegen die Arme, die ihn in die Tiefe zogen.
    Er fragte sich nur, was wohl Mrs. MacCormack denken würde, wenn er schon wieder eine Nacht außer Haus verbrachte.

12. Horse’s Neck
    Das Wetter war über Nacht umgeschlagen. Ein kräftiger Wind aus Norden trieb fette, dunkelgraue Wolken gegen die Küste, eine düstere Bastion, die das Land verteidigte gegen die wutschnaubende Armada aus dem Meer. Wellen donnerten gegen Felsen wie Rammböcke, Gischt schäumte auf, weiße Krallen, die sich mit Gewalt nehmen wollten, was das Land freiwillig nicht hergab.
    Fin nieste.
    Er stand in sicherer Entfernung vom Schlachtfeld, ganz oben auf dem Leuchtturm hinter dicken Glasscheiben, die in der Umarmung des Windes ächzten und klirrten.
    Charlie schlief noch. Er war aufgestanden, ohne sie zu wecken, hatte sich leise angezogen und war die hölzerne Wendeltreppe bis zur Turmspitze hinaufgeklettert, die letzten Stufen auf einer Stiege aus Eisen. Hier oben gab es einen schmalen Umgang, gerade breit genug, dass ein erwachsener Mensch zwischen den Fenstern und der Optik bequem durchgehen konnte. Der mannshohe Zylinder aus massivem Glas war durchzogen von tiefen, waagerecht geschliffenen Kerben, in denen sich über die Jahre hinweg der Staub angesammelt hatte. Linse nannte man dieses Ding wohl, und irgendwo dahinter vermutete er die Lichtquelle.
    Draußen schützten schräg verlaufende Gittersprossen die Verglasung vor der Witterung und vermutlich auch vor aus der Bahn geworfenen Vögeln. Das ehemals weiß lackierte Metall war üppig mit Rost überwuchert, Zeugnis jahrelanger Vernachlässigung. Regentropfen sprenkelten die Scheiben, zogen lange schlierige Bahnen. Vor den Fenstern verlief eine Art Galerie, von wo aus man einen ungehinderten Blick über die gesamte Küste hatte. Aber Fin verspürte wenig Lust, sich Wind und Wetter auszusetzen.
    Eine seltsame Nacht lag

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