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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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erschien ihm der aufgeweichte Boden. Bei seinem Glück würde der Wagen unwiderruflich steckenbleiben, er hatte seinem armen Vehikel auch so schon genug zugemutet. Dies hier war ein klarer Fall für Allradantrieb. Oder vier Hufe. Er vergewisserte sich, dass nichts von Wert im Wagen blieb, ließ die Türen unverschlossen und erklomm die Insel.
    Der raue Seewind trug ihm lautes Hämmern entgegen, kaum dass er die Anhöhe erreicht hatte. Jemand war zu Hause und dieser Jemand war tatsächlich dabei, die Fenster zu reparieren.
    Sie war allein. Kein Märchenprinz weit und breit.
    Ein Fensterrahmen lag bereits in Trümmern auf der Wiese unterhalb der Veranda, die beiden anderen würden sich über kurz oder lang unter hartnäckigen Hammerschlägen fügen müssen. Sie hielt inne, als sie ihn entdeckte.
    »Ich hab doch gesagt, dass ich vorbeikomme und helfe«, rief er ihr entgegen. Eine andere Möglichkeit, sein Erscheinen zu erklären, hatte er wohl nicht. »Und hier bin ich.« Er blieb unter der Veranda stehen und sah erwartungsvoll zu ihr hoch. Wie ein Delinquent, schuldig im Sinne der Anklage, hoffte er auf ein mildes Urteil.
    Sie steckte in einem blauen Arbeitsoverall, die Hände durch Handschuhe geschützt, die roten Haare unter einem bunten Tuch verborgen. Schweißspuren zogen sich über ihre staubigen Wangen.
    »Naja, wenn du schon mal hier bist …« Grenzenlose Begeisterung hörte sich anders an. Sie beugte sich nach hinten, kramte hörbar in einem Werkzeugkasten und warf ihm schließlich ein Brecheisen vor die Füße. »Dann zeig mal, was du drauf hast, du Spezialist für Fenster.«
    Was blieb ihm anderes übrig? Er hatte es so gewollt.
    Er zog seine Jacke aus, hängte sie an einen rostigen Nagel neben der Regenrinne und griff beherzt nach der Eisenstange. Mit einer knappen Kopfbewegung dirigierte sie ihn zu seiner Einsatzstelle.
    Es war eine elende Schufterei. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal überhaupt ein Werkzeug in der Hand gehalten hatte. Mit einem Dosenöffner, ja, damit konnte er umgehen, aber der ging wohl kaum als Werkzeug durch. Bei ihr hingegen saß jeder Hammerschlag.
    Nach einer Stunde schweigsamer Arbeit waren die alten Fenster komplett ausgebaut. Er half ihr, die neuen aus dem Schuppen heranzuschleppen.
    »Warum nimmst du keine Doppelglasfenster?«
    »Seh ich aus wie ’n Millionär? Hast du ne Ahnung, was das bei dieser Fensterfläche kostet?«
    Ganz offensichtlich verfügte der Märchenprinz nicht über nennenswerte finanzielle Mittel. Davon abgesehen, welcher Kavalier hätte seine Angebetete mit dieser Drecksarbeit alleingelassen? Ein echter Held hätte einen Trupp Handwerker bestellt und basta. Allmählich zweifelte Fin an der Existenz des geheimnisvollen Liebhabers.
    Es dämmerte schon, als die großflächigen Fensterrahmen endlich an ihrem Platz waren.
    Fin betrachtete deprimiert seine Hände, die eingerissenen Fingernägel, den geschwollenen Daumen, den der Hammer statt des Holzes getroffen hatte, den Schnitt quer über dem rechten Zeigefinger, den ein Glassplitter gerissen hatte. Er leckte das getrocknete Blut ab. Morgen würde alles grün und blau sein. Seine Hände, seine Arme, seine Knie, sein Rücken. Jeder Knochen in seinem Leib machte Fin auf seine Weise klar, dass er diesen Einsatz nicht ungestraft über sich ergehen lassen wollte.
    Charlie zog die letzte Schraube nach und prüfte das Scharnier. »Ausfugen tu ich’s morgen. Heut Abend rühr ich keine Spachtelmasse mehr an.«
    »Ohne meine Hilfe wärst du wahrscheinlich schneller fertig geworden«, entgegnete Fin kleinlaut. Er meinte es absolut ehrlich.
    »Blödsinn.« Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte sie. Besah sich seine Wunden. »Ich hol dir ’n Pflaster.«
    »Lass nur, ich hab nen Verbandskasten im Auto.«
    »Willst du jetzt noch losfahren?«
    »Ja.«
    »Der Damm ist dicht«, sie sah auf ihre Uhr, »mindestens noch bis Mitternacht.«
    Es wäre eine Lüge gewesen, hätte er jetzt gesagt, dass ihn das überraschte. Insgeheim hatte er irgendwie darauf gehofft.
    Sie zog das Kopftuch ab und fuhr sich durch die staubige Mähne. Weiße Lacksplitter rieselten zu Boden. »Ne Dusche wär jetzt nicht schlecht. Du zuerst. Ich such in der Zwischenzeit meine Hausapotheke.«
    Er blieb zum Abendessen. Während sie unter der Dusche stand, inspizierte er die Vorratskammer. Eine leidenschaftliche Hausfrau schien Charlotte nicht zu sein, weder was die Qualität noch die Quantität des Speisenangebots anging. Es gab

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